Interview mit Dr. Ulrich Bauhofer, ayurvedischer Arzt
von RENATE BERNHARD
Frage: WAS IST AYURVEDA?
BAUHOFER:
Ayurveda ist eine uralte Medizin. Sie ist die älteste Medizin, die die Menschheit überhaupt kennt, ihr Ursprungsland ist Indien und heißt wörtlich übersetzt: das Wissen vom Leben. Ayus ist das Leben, und veda ist das Wissen. Es wäre allerdings nun ein Fehler, Ayurveda als eine indische Medizin zu betrachten, denn das Leben existiert überall und Ayurveda befasst sich mit den Gesetzmäßigkeiten, die das Leben steuern. Im Laufe seiner Geschichte ist Ayurveda natürlich etwas verkommen in den vielen tausend Jahren, in denen diese Medizin nun existiert und es ist dem indischen Weisen Maharishi zu verdanken, der die ayurvedischen Gelehrten Indiens zusammengezogen und mit ihnen und westlichen Medizinern und Wissenschaftlern dieses uralten Wissen wieder in eine ganzheitliche vollständige Form gebracht hat.
FRAGE: GESUNDHEIT UND KRANKHEIT; WAS IST DAS AUS AYURVEDISCHER SICHT?
BAUHOFER:
Gesundheit aus ayurvedischer Sicht ist ein Zustand der Balance, des Ausgeglichenseins von drei Grundprinzipien, mit Hilfe derer man die ganze Funktionsweise des menschlichen Organismus, alle Geist- und Körperfunktionen versteht. Diese drei Prinzipien nennt man Vata, das Bewegungsprinzip, Pitta, das Stoffwechselprinzip und Kapha, das strukturgebende Prinzip.
Diese drei Prinzipien in ihrem Wechselspiel strukturieren den menschlichen Organismus und all seine Funktionen. Wenn nun das eine oder andere dieser Funktionsprinzipien aus dem Gleichgewicht gerät, wird ein Mensch krank und es können sich eine Vielzahl von verschiedenen Symptomen daraus entwickeln. Um ein Beispiel zu nennen. Wenn jemand Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Nervosität, Gelenkbeschwerden oder Rheuma hat, dann würde das aus ayurvedischer Sicht eine Vata-Störung sein. Der ayurvedische Arzt versucht dieses grundlegende Ungleichgewicht zu beheben. Er kümmert sich nur sekundär um die einzelnen Symptome. Er kümmert sich vor allem um die Ursache, und er schafft in seiner Therapie die Rahmenbedingungen, die die Fähigkeit des Organismus zur Selbstorganisation oder zur Selbstheilung aktivieren.
Jeder Mensch hat in sich oder bekommt aus sich heraus die Botschaften und Signale, die ihm vorgeben, was gut und was schlecht für ihn ist. Nur ist das Problem, dass die meisten von uns diese Signale nicht mehr hören. Wir vernehmen sie nicht mehr und deswegen negieren wir sie und richten uns nicht mehr danach.
FRAGE:
ABER WIE LERNT DER MENSCH BESSER, AUF DIESE BOTSCHAFTEN UND SIGNALE SEINES KÖRPERS ZU ACHTEN?
BAUHOFER:
So komisch da klingt, aber zu allererst über eine grundlegende Entgiftung des Körpers, um die Kommunikationsblockaden in diesem komplexen Netz des menschlichen Organismus aufzulösen, damit die verschiedenen Teile des Körpers wieder miteinander sprechen können, dass die Körper-Geist-Seele-Einheit Mensch wieder ins Gleichgewicht kommt. Wir alle nehmen über die Nahrung, über die Luft, über die Haut fortwährend etwa 100.000 toxische Substanzen in uns auf, und man kann sich vorstellen, dass im Laufe der Zeit, wenn diese Substanzen akkumulieren natürlich diese Kommunikationssystem des menschlichen Körpers mehr und mehr zusammenbricht. Das ist natürlich fatal für unsere Gesundheit. Die meisten dieser toxischen Substanzen sind aber fettlöslich, das heißt der Körper hat eigentlich keine Möglichkeiten sie zu eliminieren und deswegen helfen wir ihm dabei, indem wir ihm zunächst ein fetthaltiges Trägermedium geben, Fette, die er einnehmen muss, um diese fettlöslichen Substanzen zu binden und in einem nächsten Schritt eliminieren wir sie dann, beispielsweise über den Darm durch eine intensive Darmsanierung oder über die Haut oder über die Lungen oder über die Nieren. Der Körper aktiviert dann alle seine Reinigungsmechanismen, um diese Substanzen auch loswerden zu können.
Dann die Ernährung, die ist ein ganz entscheidender Faktor, denn aus dem, was wir zu uns nehmen, bauen wir ja unser System zusammen. Also die Nahrung muss stimmen, und sie muss abgestimmt sein auf die Verdauungskraft eines Menschen. Wenn die Verdauungskraft geschädigt ist, wenn wir schlecht verdauen können, dann dürfen wir natürlich nicht mehr essen, als der Körper auch verwerten kann, denn sonst wird die Nahrung wieder zu einer Belastung. Also man geht im Ayurveda, im Maharishi-Ayurveda sehr gezielt auf die individuelle Situation desjenigen ein.
Dann ist ein ganz wichtiger Faktor Stressmanagment. Wir alle brauchen heute ganz dringend Methoden zur Psychohygiene. Wir kümmern uns zwar um die Hygiene des Körpers, aber wer kümmert sich um die Hygiene des Geistes. Wir alle leben in einer sehr stressbeladenen Zeit, und deswegen ist es wichtig, dass man den Geist regelmäßig zur Ruhe bringt, damit der Körper sich wieder regenerieren kann. Hier setzen wir die Transzendentale Meditation ein, die wissenschaftlich sehr gut dokumentiert ist.
Wenn Sie einem Menschen vor sich haben, dann können Sie mit ein bisschen Erfahrung feststellen, welches der drei Prinzipien in diesem Menschen vorherrscht oder welche - meistens sind wir Mischtypen - man unterscheidet 10 unterschiedliche Typen - das sind die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten dieser drei Doshas, Vata, Pitta und Kapha. Aber ein ganz wichtiges diagnostische Medium des ayurvedischen Arztes ist die Pulsdiagnose. Mit Hilfe der Pulsdiagnose kann man feststellen, wo im Körper welche Störungen sind und was die Grundkonstitution eines Menschen darstellt.
Zum Beispiel:
es gibt ja diesen Satz im Deutschen "Ich sehe rot". Wenn man rot sieht, dann bedeutet das "Ich bin aggressiv, ich bin sauer, ich bin ärgerlich" und das zeigt mir an, dass der Körper in diesem Augenblick von dem Pitta-Prinzip geprägt ist. Pitta hat diese Qualität des Aggressiven in sich. Pitta ist von seiner Qualität her sauer, und daher kommt diese Metapher. So ist das auch zu erklären.
Wenn ein Mensch nun einen Überschuss am trägen Element hat - das ist das Kapha-Element - dann versucht man das auszugleichen, indem man den Gegenpart einsetzt, um diese Trägheit zu überwinden. Also, wir versuchen dann Pitta zu stimulieren, um das überschüssige Kapha zu eliminieren.
FRAGE: DAS HEISST, SIE SETZEN DEN KAPHA-TYP INS ROTE ZIMMER?
BAUHOFER:
Genau. Wir setzen denjenigen, der eine Kapha-Störung hat, zunächst mal in ein rotes Zimmer. Das heißt, dass er einer Umgebung ausgesetzt ist, die von Rot stimuliert wird, also haben auch die Möbel eine rötliche Tönung. Wir haben da Kirschholz verwendet. Die Bilder, die an der Wand hängen, vermitteln den Eindruck des mehr Abstrakten, des Luftigen, was Kapha zur Ruhe bringt, und so sind alle äußeren Bedingungen darauf abgestimmt, dass sie das Kapha-Element reduzieren.
Wenn wir festgestellt haben, dass ein Kapha-Überschuss vorliegt, das heißt, der Patient braucht eine rote Umgebung, dann muss diese Therapie natürlich unterstützt werden durch entsprechende Maßnahmen, die sein Kapha ebenso reduzieren, denn alles, was auf unser System einwirkt, beeinflusst ja diese drei Prinzipien, Vata, Pitta oder Kapha.
Wenn ich beispielsweise jetzt viele Milchprodukte esse oder viel Süßigkeiten oder sehr öliges, fettes Essen, dann wird dadurch Kapha angeregt. Das merkt man, wenn man schwer gegessen hat, dann fühlt man sich etwas müde und träge. Das heißt, das Kapha wird stark. Wenn ich was Leichtes gegessen habe, dann fühle ich mich anders. Also muss ich dafür sorgen, dass bei jemandem, der einen Kapha-Überschuss hat, eine Kapha-Störung, dieses schwere Element eliminiert wird. Das kann ich jetzt mit dem Essen beispielsweise machen. Wie muss ein Kapha-Mensch leben? Er muss Dinge essen, die leicht verdaulich sind, die seinen Stoffwechsel nicht überlasten, denn der Stoffwechsel ist eh schon träge. Also beispielsweise viel Salate /, abends sollte man allerdings nicht so viel Salate essen, Gemüse, die Kapha reduzieren, sind beispielsweise Chicoree oder Kohlsorten wie Blumenkohl oder Broccoli oder Kartoffeln, vom Obst her eher Birnen oder Trockenobst. Das würden wir von der Ernährungsseite einsetzen.
Und dann natürlich kann man entsprechende Melodiensequenzen, also Musik, die Kapha abbauen, einsetzen, Musik, die auch von der Biorhythmik auf den Tag abgestimmt ist, also Melodiensequenzen, die sich ändern während des Tages. Da sind Instrumente, die Kapha anregen oder Kapha etwas senken, eine Sita-Musik senkt Kapha / oder eine Violine würde Kapha senken, wogegen ein Bass Kapha anregen würde, oder eine Flöte Kapha anregen würde, weil es weich ist und weil es tief und sonor ist.
Es gibt ganz bestimmt Massageformen, die das Kapha-Prinzip reduzieren. Das sind meistens trockene Massagen, also so eine Peelingmassage. Die Massagen werden übrigens immer synchron durchgeführt. Das heißt, es arbeiten immer zwei Therapeuten bzw. Therapeutinnen bei Frauen, an einem Patienten. Sie arbeiten synchron, das heißt über die Haut werden die Reize gesetzt, die auch eine synchronisierende, eine ordnende Wirkung auf das gesamte Zentralnervensystem ausüben und damit nicht nur die Haut behandeln, sondern auch die inneren Organfunktionen, weil ja alles letztlich von der Aktivität unseres Zentralnervensystems abhängt.
Diese spezifischen Massagen, die wir bei Kapha-Störungen einsetzen, sind also trockene Massagen, Massagen mit Seidenhandschuhen oder die Peeelingmassagen z.B., das sind Massagen wo bestimmte Mehle verwendet werden und die einen stoffwechselaktivierenden und vitalisierenden Effekt haben.
Die anderen Massagen, die wir einsetzen, dienen vor allem im Rahmen der Entgiftungstherapie, der so genannten Panchakarma-Behandlung, die Gifte, die wir im ersten Schritt gebunden haben, wieder auszuschwemmen aus dem Organismus. Dafür müssen sie aus den Geweben aber erst mal mobilisiert werden. Die Gefäße und Kommunikationssysteme in unserem Körper müssen weitgestellt werden, eben durch die Massagen und die anschließenden Wärmeanwendungen, und dann können diese Toxine den Eliminationsorganen zugeleitet werden wie dem Darm, wie der Haut, wie der Niere und darüber werden sie ausgeschwemmt.
Mir hat ein Patient neulich etwas Interessantes gesagt: AYURvedisch zu leben heißt natürlich zu leben, das heißt so zu leben, wie es den eigenen Bedürfnissen, Notwendigkeiten entspricht.
FRAGE: UND WIE ”LÄUFT” NUN EINE PULSDIAGNOSE AB?
BAUHOFER:
Bei einer ayurvedischen Diagnose beginnen wir immer mit einer Pulsdiagnose. Aus dem Puls kann man das Wechselspiel dieser drei Grundprinzipien Vata, Pitta und Kapha ertasten und darauf baut man die Diagnose und entsprechend die Therapie auf. Darf ich mal ihr rechtes Handgelenk fühlen 20"... 35" Aus dem Puls wird offensichtlich, dass Sie eine gering gradige Kapha-Störung haben. Das macht sich durch einen trägen Stoffwechsel bemerkbar. Sie merken vielleicht, dass Sie eine Tendenz haben, an Gewicht zuzunehmen. Sie merken, dass Sie nach dem Essen sich etwas müde fühlen, insbesondere wenn Sie schwer gegessen haben. Wenn Sie morgens aufwachen, fühlen Sie sich vielleicht nicht so ausgeruht, wie man das erwarten würde, auch wenn Sie ausreichend Schlaf hatten, dass Sie gewisse Antriebsarmut in letzter Zeit vielleicht verspürt haben. Das sind die typischen Zeichen dieser Kapha-Störung. Außerdem gewisse Probleme vielleicht mit den Bronchien, eine Verschleimung der Nebenhöhlen oder dass Sie beispielsweise merken, wenn Sie morgens aufwachen, dass die Nase verstopft ist. Dies sind die typischen Zeichen dieser Kapha-Störung. Das sind auch die Zeichen, die man jetzt aus dem Puls erfühlen würde. Entsprechend bauen wir jetzt die Therapie auf, das heißt wir setzen die Maßnahmen ein, die das Kapha-Prinzip reduzieren.
entnommen den berliner heilpraktiker nachrichten
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