Qi Gong und Schamanismus
Unter den Teilnehmern unserer Qigong-Seminare sind immer wieder Personen, die sich mit dem Schamanismus beschäftigt haben, beschäftigen oder beschäftigen wollen.
Oftmals praktizieren sie diesen parallel z.B. zum Tai Ji Chuan oder auch zu anderen bisher von ihnen erlernten Formen des Qigong.
Manchmal werden sogar Kurse in Qigong und Kurse in Schamanismus von ein und dem selben Veranstalter angeboten.
Und hin und wieder treffen wir auf Personen, die der festen Ansicht sind, ihre heilerischen Fähigkeiten Geistwesen in Tier- oder Menschengestalt zu verdanken.
Die Attraktivität, welche der Schamanismus auf moderne westliche Gemüter ausübt, wurde auch deutlich in der großen Resonanz der u.a. in Wien und in Bremen gezeigten Ausstellung "Schamanismus und andere Welten".
Im Rahmen dieser Ausstellung hielt Prof. Guo Bingsen, der Direktor von Dao Yuan-Schule für Qigong, am 8. September 1999 einen Vortrag am Überseemuseum Bremen zum Thema "Schamanismus und Qigong. Ähnlichkeiten und Unterschiede".
Im Folgenden eine Übersetzung des Skriptes zu diesem Vortrag - welches eher dessen Gerüst und komprimierte inhaltliche Zusammenfassung darstellt, denn im Original wurde dieser Vortrag dann frei gehalten und war dementsprechend mit Beispielen und Literaturzitaten ausgeschmückt.
Edith Guba
Qigong und Schamanismus: Ähnlichkeiten und Unterschiede
Vortrag von Guo Bingsen, Überseemuseum Bremen, 8.9.1999
Das Qigong zählt zum kulturellen Erbe Chinas. Es ist eine Technik, welche das Qi im menschlichen Körper zum Zirkulieren bringt und den Geist kultiviert mit dem Ziel, die Gesundheit zu pflegen, das Leben zu verlängern und die latenten menschlichen Fähigkeiten zu entwickeln.
Was im Westen allgemein "Schamanismus" genannt wird, heißt auf chinesisch "Fu Ti Gong": "Arbeit durch einen anhaftenden Geist".
Dieses dem Körper anhaftende Geistwesen kann Krankheiten heilen und besondere Fähigkeiten zeigen, aber er bringt nicht das Qi im Körper zum Zirkulieren.
Ich habe keine ausführlichen Studien zum Schamanismus betrieben, doch gibt es in China Phänomene, welche den in der Literatur beschriebenen schamanistischen Phänomenen ähneln und die man "Arbeit durch einen anhaftenden Geist" nennt.
Im Folgenden möchte ich die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem Qigong und dem Schamanismus in China, dem "Fu Ti Gong" darlegen:
Anschrift:
Guo Bingsen, Edith Guba, Erlenstr. 68, 28199 Bremen, Tel. 0421 - 50 72 49
ab 1. 3. 2000: Kornstr. 21/23, 28201 Bremen, Tel. 0421 - 50 72 49
bzw. Dao Yuan - Schule für Qigong, Steffensweg 155, 28217 Bremen
Therapeuten: | Praxis Dr.Hemm |
Praxis A. Noll |
Das Qigong muss regelmäßig praktiziert werden, um zu Ergebnissen zu führen, es ist die regelmäßige Praxis, welche das latente menschliche Potential entfalten kann. Der Schamanismus verlangt kein regelmäßiges eigenes Üben, denn die durch ihn ermöglichten besonderen Fähigkeiten verdanken sich dem Geistwesen, welches dem Körper anhaftet.
Es gibt sehr verschiedene Geister. Normalerweise sind es Tiergeister, welche dem menschlichen Körper anhaften, doch gibt es auch Pflanzen-, Wasser-, Feuer-, Erd- und Berggeister und weitere. Sie verleihen der von ihnen behafteten Person jeweils einzelne oder mehrere besondere Fähigkeiten, z.B., das Körperinnere sehen zu können, um Krankheiten zu diagnostizieren, oder die Fähigkeit, über große räumliche Entfernungen zu sehen, oder die Fähigkeit, die Vergangenheit und die Zukunft zu sehen usw. - Wer andererseits regelmäßig Qigong praktiziert, der kultiviert seinen Ursprungsgeist, den eigenen Geist. Auf diese Weise kann man im Qigong die latenten Fähigkeiten entwickeln. Die besonderen Fähigkeiten des Schamanen gehören also dem ihm anhaftenden Geist, nicht dem Schamanen selber. Wenn man im Qigong besondere Fähigkeiten entwickelt, so gehören diese der praktizierenden Person an.
Wer Qigong praktiziert, kann sich selber und andere heilen kraft des im Körper durch regelmäßige Praxis entwickelten Qi - im Schamanismus finden alle Heilungen mithilfe des anhaftenden Geistwesens statt.
Vom Schamanen werden mitunter noch andere als die seinem Körper anhaftenden Geister zu Hilfe gerufen, wenn es darum geht, Kranke zu behandeln. - Wer Qigong praktiziert, behandelt Krankheiten kraft des eigenen, in der eigenen Praxis akkumulierten Qi.
Wenn ein Geist eine Krankheit behandelt, die von einem anderen Geist verursacht wurde, kann es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Geistwesen kommen. - Im Qigong wird mit Qi behandelt, diese Art von Auseinandersetzungen tritt nicht auf, wenn man mit dem Qi behandelt, welches im eigenen Üben entwickelt wurde.
Die Quantität des eigenen Qi kann sich verringern, wenn man heilende Qi-Übertragungen durchführt und muss durch stetiges weiteres Üben immer wieder erneuert werden. - Der Schamane behandelt Krankheiten nicht mit Qi.
Wenn Krankheiten durch schamanistische Techniken behandelt werden, so wird die Trommel geschlagen, gleichzeitig wird getanzt und/oder gesungen. - Wenn Krankheiten durch Qigong behandelt werden, geschieht dies aus einem Zustand der inneren Ruhe heraus, welche es ermöglicht, wirksam Qi auszusenden, um damit Krankheiten zu heilen. Das Qigong verwendet keine Musikinstrumente.
Die Praxis des Qigong ist freiwillig: wenn man will, kann man kann jederzeit auch wieder damit aufhören. - Für den Schamanismus gilt dies nicht: ist eine Person mit einem Geist behaftet, kann sie sich diesem nicht mehr entziehen. Will sich ein Schamane seinem Geist verweigern, kann er von diesem bestraft werden und schwer erkranken.
Im Qigong hat man die freie Entscheidung, welche Art von Qigong man praktizieren möchte. - Schamanen können sich das ihnen jeweils anhaftenden Geistwesen nicht frei aussuchen, denn es ist der Geist, welcher sich "seinen" Menschen wählt.
Sowohl im Qigong als auch im Schamanismus wird die Existenz einer unsichtbaren Welt anerkannt, d.h., man geht davon aus, dass es Dinge gibt, die normalerweise nicht gesehen werden können, Dinge, die der vierten räumlichen Dimension angehören. Im Qigong ist es die regelmäßige Praxis, welche die Fähigkeit entwickeln kann, Phänomene der vierten oder der fünften räumlichen Dimension wahrzunehmen. Im Schamanismus wird diese Fähigkeit durch das dem Körper anhaftende Geistwesen verliehen - geliehen, denn diese Fähigkeit ist und bleibt die Fähigkeit des jeweiligen Geistes.
Die im Üben des Qigong sich entwickelnden besonderen Fähigkeiten sind die Fähigkeiten derer, welche Qigong praktizieren, - die schamanistischen Fähigkeiten verlieren sich in dem Moment, in dem der anhaftende Geist den von ihm besessenen Körper verläßt, er nimmt diese seine eigenen Fähigkeiten dann auch wieder mit.
Normalerweise haftet ein Geist einem menschlichen Körper an mit dem Ziel, sich selbst zu vervollkommnen. In der Regel sind es Tiergeister, welche den menschlichen Körper benutzen wollen, um dieses Ziel zu erreichen. Haben sie es einmal erreicht, verlassen sie den menschlichen Körper wieder und nehmen mitunter selbst dessen vitales Qi mit sich. Dies bedeutet eine tödliche Bedrohung des menschlichen Lebens für den Fall, dass diese Geister ihren "Wirtskörper" verlassen. - Wer Qigong praktiziert und in diesem ein hohes Niveau erreicht, kann im Gegenteil sein Leben verlängern. Wer Qigong übt, kräftigt seinen eigenen Körper und seinen eigenen Geist. Diese Kräftigung des eigenen Körpers und Geistes kann im Schamanismus nicht erreicht werden.