Feng Shui - Humbug oder Wissenschaft?
Der klassisch ausgebildete Heilpraktiker kennt Feng Shui, das neuerdings als "die Kunst des Wohnens" durch die Medien propagiert wird, als einen Teilbereich der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Die TCM umfaßt acht Bereiche, von denen nur zwei dem westlich-naturwissenschaftlich geprägten Mediziner auf den ersten Blick verständlich sind, nämlich Kräuterheilkunde und Diätetik, die als ein Zweig zusammengefaßt werden, und Massage. Drei weitere werden anerkannt, wenn man das chinesische Energiekonzept des Qiflusses in den Meridianen akzeptiert: Akupunktur, Moxibustion und Körperübungen (Tai Ch'i, Qi Gong etc.). Mit den verbleibenden drei Bereichen verbinden jedoch die meisten Praktizierenden Berührungsängste, da sie so gar nicht in das Bild von Medizin zu passen scheinen, das die akademische Welt in Europa in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat: Meditation, Astrologie und Feng Shui.
Feng Shui als "Umweltmedizin"
Das chinesische Menschen- und Weltbild unterscheidet jedoch nicht zwischen den Veränderungen drinnen und draußen und hat schon früh eine "Umweltmedizin" entwickelt, welche die Lebensumstände des Patienten in die Diagnose und den Heilungsprozeß miteinbezieht. Dies war auch in Europa lange Zeit gang und gebe, schon Paracelsus soll gesagt haben: "Ein guter Arzt erkennt die Krankheit seines Patienten an dessen Umgebung." Das Lebensenergiekonzept des Qi beschränkt sich durchaus nicht auf den Fluß durch die Meridiane, sondern sieht das Qi als die Energie, die "die Welt im Innnersten zusammenhält", so allgegenwärtig, daß sie zwischen den Sternen zu finden ist wie in der kleinsten Zelle.
Qi ist nichts Materielles, kann sich aber als Materie manifestieren. Der wichtigste Aspekt ist, daß sich das Qi in einem steten Wandel befindet, sich ständig verändert und neue Formen annimmt.
Diese Aussagen, schon vor Jahrhunderten aufgeschrieben, decken sich erstaunlich gut mit den Erkenntnissen der modernen Quantenphysik, die auch erkennen mußte, daß die kleinsten Bausteine der Materie sich als immateriell erwiesen haben und sich in einem stetigen Wandel befinden, stets neue Verbindungen eingehend, stets mit allen anderen Quanten des Universums in Kommunikation stehend.
Wenn man dies nun akzeptieren kann, werden auch Meditation und Astrologie als medizinische Wissenschaften verständlich. Die Meditation kann den Körper des Patienten beeinflussen, da die Energie, die sein Ungleichgewicht verursacht, immateriell ist und deshalb auch geistig beeinflußt werden kann. Die Astrologie ist nichts anderes als die Zusammenfassung der Regeln, nach denen sich das "kosmische Qi" in bestimmten, kalkulierbaren Zyklen verändert und auf den Menschen einwirkt, der geprägt wurde durch seinen ersten Atemzug, seinen ersten Kontakt mit dem Qi der Außenwelt.
Das "Qi-Konzept" der TCM
Das Feng Shui ist nun die Zusammenfassung der Regeln darüber, welche Qualität von Qi von unserer Umwelt erzeugt wird und wie dieses Qi auf uns einwirkt. Das Qi-Konzept zieht oft die Luft als Metapher heran, darum wird in einem ersten Schritt die Landschaft untersucht, besonders die Berge und Wasserläufe, welche die lokalen Winde bestimmen. Auf diese Weise wird nach den Plätzen gesucht, die Schutz vor der Kälte für Mensch, Nutztier und Felder bieten, denn Mensch, Tier und Pflanze gedeihen besser, wenn sie ausreichend Sonnenlicht und Wärme bekommen.
Man kann hier schon erkennen, daß auch das Feng Shui wie alle anderen Teilbereiche der TCM am wirksamsten in der Prävention ist. Die Luft und der Wind sind jedoch keine ausreichenden Vergleiche, Qi beinhaltet auch unsichtbare und nicht sofort fühlbare Aspekte. Dies sind die magnetischen Einflüsse, einerseits die unterirdischen Energieströme (geopathische Störungen), deren bekannteste Vertreter hierzulande die Wasseradern sind, und andererseits die Himmelsrichtungen. Da wir bei der kühnen Annahme bleiben wollen, daß Qi-Konzept und Quantenpotential gleichzusetzen sind, ist auch verständlich, daß magnetische Kräfte das Qi beeinflussen, so wie sie in der Quantenforschung eine sehr große
Rolle spielen. Wenn sie das Qi beeinflussen, beeinflussen sie auch die Gesundheit (was an den Einfluß von Elektrosmog erinnert, der auch in jeder modernen Feng Shui-Beratung gemessen werden sollte). Verschiedene Menschen sind unterschiedlich anfällig für bestimmte Umwelteinflüsse und dies gilt auch für die Himmelsrichtungen, jedoch kann der Autor aus seiner mehrjährigen Praxis über zahlreiche Fälle berichten, in denen dauernde Anfälligkeit und sogar chronische Krankheiten einher gingen mit der Plazierung des Bettes in einer für diese Person ungünstige Richtung.
Auch ein Schlafplatz auf einer geopathischen Störquelle geht meist Hand in Hand mit einer Erkrankung. Da das Qi sich in einem ständigen Wandel befindet (sichtbarster Ausdruck hierfür ist der Wechsel der Jahreszeiten), ändern sich auch die oben genannten Einflüsse mit der Zeit. Im chinesischen Kulturkreis (also Hong Kong, Taiwan, Singapur - in der VR China ist Feng Shui bis heute verboten, wird jedoch nicht mehr verfolgt) haben die Feng Shui-Berater um das chinesische Neujahr herum ihre Hochsaison, da ihre Stammkunden wissen wollen, was sie vom kommenden Jahr zu erwarten haben und welche Vorsichtsmaßnahmen sie treffen sollen, um ihre körperliche Gesundheit (und ihr Einkommen) zu schützen.
Heilung durch Feng Shui?
Ein Feng Shui-Berater, der weder Heilpraktiker noch Mediziner ist, darf seine Klienten nach deutscher Rechtslage nicht heilen, und es ist die Pflicht eines jeden seriösen Feng Shui-Beraters, den hilfesuchenden Patienten in Gesundheitsproblemen an die entsprechenden Fachleute zu überweisen. Feng Shui-Maßnahmen können den Heilungsprozeß dann jedoch begleiten und unterstützen. In der Literatur werden immer wieder Fälle von Heilung allein durch Feng Shui-Maßnahmen aufgeführt, doch sollten diese, ohne wissenschaftliche Begleitung, mit Vorsicht genossen werden.
Wie vorhin erwähnt, erwartet der Klient vom Feng Shui-Berater auch einen Einfluß auf seine finanziellen Verhältnisse. Dies ist höchstwahrscheinlich auch der Grund, warum Feng Shui im Westen so populär geworden ist. Die Mehrheit der Kunden ist nicht an Heilung und Gesundheitsvorsorge interessiert, sondern daran, wie man mit wenig Aufwand den Geldfluß in das eigene Haus magisch vergrößert. In der chinesischen Sicht der Dinge nimmt Geld einen anderen Stellenwert ein als hierzulande. Im Reich der Mitte wurde Geld als eine Voraussetzung für die geistige Entwicklung betrachtet - nur wenn ein Mann (die chinesische Gesellschaft war und ist patriarchalisch geprägt) genug Geld hatte, konnte er sich den Luxus leisten, sich den ganzen Tag dem Qi Gong oder dem Tao zu widmen. Deshalb wurden Techniken zur Vergrößerung des Reichtums in die geistigen Gebäude mit aufgenommen. Dieses Mehr an Reichtum fällt jedoch nicht vom Himmel. Immer wieder stellen Feng Shui-Kunden fest, daß sie für das Mehr an Einkommen auch ein Mehr an Arbeit haben. Aber wie kommt dieses "Mehr" zustande? Wenn durch die Umsetzung von Feng Shui-Maßnahmen das Qi außen und dadurch auch innen harmoniert wird, fallen oft auch die psychologischen Hindernisse weg, die einen davon abgehalten haben, Reichtum in seinem Leben zu akzeptieren. Andere Maßnahmen produzieren einen Überschuß an einem sehr reichhaltigen Qi, das in früheren Zeiten zu einer höheren Ernte geführt hätte - in der modernen Wirtschaftswelt führt es zu mehr Einkommen.
Es ist erstaunlich, wieviele moderne Menschen sich durch eine große Anzahl schlecht recherchierter und voneinander abgeschriebener Bücher und Zeitschriftenartikel davon überzeugen lassen, daß sie nur einen Kristall, eine Metallspirale oder einen kleinen roten Aufkleber geschickt plazieren müßten, um eine Gehaltserhöhung oder mehr Umsatz zu bekommen. Noch erstaunlicher, oder eigentlich erschreckender, ist, daß die allermeisten modernen Feng Shui-Bücher, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen (ausschließlich Neuverfassungen, keine Übersetzungen und Kommentare klassischer Texte), das Qi auf den ersten paar Seiten kurz erwähnen, um sich dann ausführlich den Kristallen und Springbrunnen zu widmen, die das Geld anlocken sollen.
Die Aufgabe des Feng Shui
Im Feng Shui geht es darum, das Qi in der Umgebung eines Menschen zu harmonieren, so daß er möglichst alle seine Potentiale ausschöpfen kann und Störungen erst gar nicht entstehen. Dies wird erreicht durch die Erfassung und Berechnung des Flusses und der Qualitäten des Qi und ihre geschickte Beeinflussung, meistens über Maßnahmen, die dem System der Fünf Elemente zuzuordnen sind.
Ist Feng Shui nun eine Wissenschaft?
An eine Wissenschaft wird der Anspruch gestellt, reproduzierbare Ergebnisse liefern zu können, verifizierbare Thesen, die jederzeit nachvollzogen werden können. Hier steht Feng Shui vor der Situation, daß es keine zwei exakt gleichen Häuser in der exakt gleichen Umgebung mit Bewohnern mit exakt gleichen Geburtsdaten gibt, so daß sich die Verifizierbarkeit schwer herstellen läßt. Feng Shui ist jedoch so wissenschaftlich, daß bei gewissenhafter Anwendung der Prinzipien sich für die meisten Klienten Verbesserungen einstellen. Da Feng Shui stark in die Umgebung der Klienten eingreift, müssen dessen persönliche Präferenzen berücksichtigt werden, ein Feng Shui-Berater muß also für ein Problem verschiedene Lösungen anbieten können. So rückt Feng Shui mehr in den Bereich der Kunst, in der es nicht nur eine, sondern viele richtige Lösungen gibt. Feng Shui ist die künstlerische Anwendung wissenschaftlicher Prinzipien zur Harmonisierung des Qi in der Umgebung eines Menschen.
Der Autor: Dipl.-Ing. Robert Schmitz ist Schüler von Meister Joseph Yu, dem Präsidenten der Feng Shui Association of Canada, und seit 1997 hauptberuflich als Feng Shui-Berater und -Lehrer tätig. Er ist Mitbegründer der Dancing Dragon Feng Shui Company, die regelmäßig Seminare und Ausbildungen zum Thema Feng Shui durchführt (Tel. 030-4405 6849).
aus: berliner heilpraktiker nachrichten