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Zur Abgrenzung des Phänomens Geist von der Psyche

von Bernd Hertling

Ein Faustisches Unterfangen

A) Prolog vor dem Theater
„Jeder große Gedanke steht in niemandes Gewalt und ist über alle irdische Macht erhaben. Dergleichen hat der Mensch als unverhofftes Geschenk von oben zu betrachten, das er mit freudigem Dank zu empfangen und zu verehren hat,” befand der Dichter in einem Augenblick äußerster Geistes-Gegenwart während eines Gesprächs mit Ekkermann. 1) Anders ausgedrückt, der Geist weht wo er will und gebärdet sich höchst unterschiedlich. Da wird zum Beispiel der olympische Geist beschworen und in seinem Namen werden feierliche Eide geleistet, oder der Un-Geist totalitärer Regimes mit starken Worten gegeißelt. Stellt man sich doch ersteren gern als leuchtenden Genius, das helle Haupt im Strahlenkranz, letzteren als fledermausflügeligen finster blassen Ghul vor. Den Un-Geist wollen wir, auch wenn im Folgenden auch von einem Bösen Geist die Rede sein wird, sogleich aus dem Geschehen entfernen und höchstens als geduldeten Gast im Parkett des Zuschauerraums seinen Platz anweisen. Der Geist um den es hier geht ist so frei, den Einen zu be-geistern, nur um sich einem anderen wiederum vollkommen zu entziehen, so daß er völlig ent-geistert in der Gegend steht, und die Welt nicht mehr versteht, da sie für ihn der Sinnhaftigkeit entbehrt. Während der Mönch völlig durchgeistigt seiner Andacht nachgeht, dröhnt sich der Techno-Freak die letzten Reste zusammenhängender Geistesregungen mit den Dezibel eines startenden Düsenjets aus dem Gehirn, die sich sodann in wilden Zuckungen somatisieren und zuletzt in der Hitze der Disconacht verdampfen. Wirtschaftsbosse, Politiker, Wissenschaftler, Zeitungs- und Werbeleute versammeln sich mit ihresgleichen an runden Tischen, um ein brain-storming als Sturmgebraus der Ideen, zu entfachen, das sich bis hin zum Hurrycane steigert, der sie unter Umständen zu bunten Gestaden, wie der Erfindung des Elchtests und der Rechtschreibereform, der Genmanipulation und der Einführung des Euro, der Massenarbeitslosigkeit bei steigenden Aktienkursen und dergleichen Verwegenheiten mehr leitet. Gelingt es schon nicht immer, den Geist durch quantitative Konzentration von Gehirnmasse mittels eines brain-storming herbeizuzwingen, wie einen antiken Gott mit Beschwörungsritualen oder einem Räucheropfer, dann versucht man es eben mit Qualität: Man engagiert beruflich qualifizierte Denker, in letzter Zeit sogar Vor-denker, um des Geistes habhaft oder zumindest teilhaftig werden zu können. Und letztendlich hoffen sie alle, daß der Geist ihnen gnädig sei, sich ihnen offenbare und ihnen die rechten Eingebungen verleihe, denn, recht bedacht, zwingen läßt er sich eben nicht, auch wenn es so etwas wie zwingende Logik gibt, die sich des Geistes zu bemächtigen versucht. Wenn schon die Gedanken als Vehikel des Geistes frei sind, wieviel mehr muß dann ihr pool, der große vorgegebene Speicher, der Gehalt und Sinn verleiht, frei und unabhängig sein? Wenn überhaupt, darf das Individuum nur hoffen, daß sich die Sphäre des Geistes auf es herabsenkt und es in Gnaden teilhaben läßt an seinem Reichtum. Und so geht es nicht um Verfügung, sondern um Teilhabe, soviel kristallisiert sich heraus. So daß der Philosoph, der im Schweiße seines Angesichts um Wahrheit oder zumindest um Erkenntnis ringt, genauso teilhat am Geist, wie der Dichter, der teilweise in inspirativer und hauptsächlich transpirativer Be-geisterung danach strebt, die Edelsteine des Schönen, Guten und Erhabenen in den Ring angemessener Worte zu fassen. Doch auch die lustige Person, die längst weiß, daß die Bestrebungen der beiden nur dann zum Ziel führen, wenn sie auch bereit sind, die Narrheit als eigenständiges Wirken des Geistes zu akzeptieren, ist ebenso fest im Geiste verankert wie der kalkulierende Theaterdirektor, der seinen Spaß haben und gleichzeitig seinen Profit aus der ganzen Sache schlagen will. Sie alle, wie auch das Publikum, das zu konsumieren kommt und ohne es zu ahnen völlig ohne Gage selbst mitspielt, tragen dazu bei, daß sich der Geist manifestiert, zum physischen Leben erwacht, sich inkarniert und für den jeweiligen Augenblick greifbar wird. Vielleicht erscheint dann mit einem mal der „Geist des Kairos” und, da er, der rechte Augenblick so schön ist, fleht der Protagonist ihn an, zu verweilen. Doch ebendies ist ihm nicht erlaubt. Der Geist, von den Hellenen pneuma 2a), von den Menschen lateinischer Zunge spirutus 2b) genannt ist unstet, flüchtig, wandelbar. Eine echt mercurische Existenz eben entschwindet er spurlos, als sei er nicht und sei auch niemals gewesen.
 

B) Prolog im Himmel
Wir alle haben angeblich den Schein des Himmelslichts erhalten, das wir Vernunft nennen und allein dazu gebrauchen, um tierischer als jedes Tier zu sein. So stehtÂ’s geschrieben und so schallt es von den Bühnen. Diesen zugegebenermaßen wenig schmeichelhaften Spiegel hält uns die in die Rolle des Versuchers geschlüpfte lustige Person vor Augen, ehe sie darangeht, dem Schöpfer auseinanderzulegen, daß wir wohl ein wenig besser leben würden, hätten wir es nicht erhalten. Das als Allegorie des Geistes verstandene Licht, inkarniert im helleuchtenden Gott auf dem Himmelswagen, dieser Sol also lucet omnibus (die Sonne scheint für alle (gleichermaßen)). Als Gemeinschaft haben wir alle teil am Licht, doch, um zu sehen bedarf es zweierlei, der Augen und des Interesses, sagt der Dichter und so fragt es sich, zu welchem Zweck man das Werkzeug benutzt, um klarer zu sehen, oder um sich blenden zu lassen? Es liegt anscheinend an uns selbst, was wir tun wollen. Ob wir den Geist so einsetzen wollen, daß er uns dienlich und von Vorteil ist, oder ob wir ihn zu unserem Verderben verwenden. Betrachten wir also nun die „unbegreiflich hohen Werke”, so haben sie mit dem „ersten Tag” nicht mehr viel zu tun, und es erstaunt wenig, daß sich immer häufiger jene nihilistische Haltung behauptet, die darin gipfelt, dem Versucher Recht zu geben, daß das, was da im Namen der Vernunft angerichtet wurde, eher dazu tendieren läßt, sie wieder an den Absender zurückzuschicken mit der inständigen Bitte, in Zukunft eine bessere Gebrauchsanweisung beizulegen, wo deutlicher vor den Risiken und Nebenwirkungen gewarnt wird. Der Versucher selbst sogar sieht sich außer Standes, die Menschen noch zu piesacken, da er Mitleid (sic! ) mit ihnen empfindet. Man tendiert schon dazu, mit dem in seltsamer Aporie verstrickten Teufel zu verzweifeln, doch dann erbarmt sich mit einem Male der Allgewaltige wiederum seines Widersachers und lenkt dessen Aufmerksamkeit auf die Person eines seltsamen, weltabgewandten Doctors. Dessen erklärtes Forschungsziel ist es, die in der Schöpfung waltenden und sie zusammenhaltenden Kräfte zu erkennen – und über kurz oder lang, wohl auch zu beherrschen. 3) So sehr der Alte Herr den Ehrgeiz und den Mut des gelehrten Studiosus auch schätzen mag, nicht schätzen kann er es, wenn diese seine creatura ihm, dem creator auf die Schliche kommt und sich selbstherrlich zum Herrn über den Geist aufschwingt; und so sieht er es gar nicht ungern, daß der Versucher sich an die Fersen des Doctors heftet, um dessen Geist von seinem Urquell abzuziehen und ihn, der weit entfernt von allem Schein nur nach der Wesen Tiefe trachtet, in die volle Problematik des Zweifels zu stürzen. Und so bedenken wir den Alten Herrn, während sich langsam der Vorhang senkt mit einem zweifelnden Blick, und lauschen noch dem Satz nach, er habe dergleichen Personen, wie den Versucher, nie gehaßt, da ihm von allen verneinenden Geistern der Schalk immer schon am wenigsten zur Last gefallen sei. Der wiederum, mit allen Attributen eines bösen Geistes ausgestattet, lacht sich ins Fäustchen, daß der Alte Herr gar so menschlich mit ihm, dem Teufel, umzugehen bereit sei.

C) In der Studierstube
Verlassen wir nun, zumindest auf der Theaterebene die uns vertrauten dramatis personae und wagen wir einen Blick auf einen Faust der Gegenwart: Was kann er denken, was kann er tun, um diese Kraft, die die Welt zusammenhält zu erfassen, ohne sich des Obskurantismus verdächtig zu machen? Der Originalfaust des 16. Jahrhunderts störte sich daran bekanntlich nicht sonderlich, er ergab sich durchaus der Magie, damit ihm aus Geistes Kraft und Mund manch Geheimnis kund werde. Diesen Weg wollen wir heute allerdings nicht gehen. Wir wollen uns hüten, allzuleicht sich anbiedernde Wege zu beschreiten und lassen uns darauf zurückwerfen, daß wir den Geist insofern erforschen wollen, indem wir uns unserer eigenen Geistes-kräfte bedienen, um so mit Hilfe der Wissenschaft der Philosophie das Geheimnis seines die Welt umspannenden und zusammenhaltenden Wesens, zu ergründen. Gemeinsam mit dem Originalfaust müssen wir erkennen und feststellen, daß unserem Drang nach Erkenntnis die Grenzen unseres eigenen Seins gesetzt sind: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst!” bekommen wir da mit ihm zu hören, wenn wir uns, als das Ebenbild der Gottheit anscheinend vermessenerweise wenigstens dem Geist der Erde für ebenbürtig halten. Nach diesem Schock brütet nun unser Faust über einem esoterischen Buch, das ihn zur Frage drängt, nicht aber ohne weiteres eine ihn befriedigende Antwort bereithält. „Es wirkt in unserer Gegenwart besonders störend, daß bei der Betrachtung des Menschen die beiden Begriffe Geist und Seele fortwährend durcheinandergeworfen werden,” 4) liest er da und in seinem Inneren taucht vorerst noch schemenhaft und unklar die Frage, wie denn das eine vom andern zu scheiden sei, auf und verdichtet sich zunehmend zu einem der Lösung bedürftigen Problem.

I. Fragestellung:
Wo steht er heute als Natur-Heilkundiger, der ein geistiges Postulat vertritt? Ist er automatisch schon ein Ewiggestriger, der einer obsoleten und veralteten Sichtweise anhängt? Oder darf er es wagen, sich als einen Menschen mit größeren Zukunftsperspektiven, als sie die kontemporäre Naturwissenschaft und Psychologie erwarten darf, zu sehen? Wir wollen also versuchen, es uns nicht leicht zu machen und Phänomene des Verstandes unter Rückgriff auf unbewußte seelische Komplexe wegzupsychologisieren, genauso, wie wir nicht vice versa psychische Regungen wegrationalisieren wollen. Wir wollen uns also des Themas immer unter der zunächst lediglich axiomatischen Annahme, es gebe eine Trias aus Körper, Seele und Geist annehmen, oder dergestalt, daß „Geist” als alleinige Größe neben einem zum Psycho-Somatismus verschmolzenen Körper-Seele-Komplex Bestand habe. Von vornherein lehnen wir jedoch die Annahme einer wie auch immer gearteten „Geistseele” ab, die als immaterielles Prinzip einem rein somatischen materiebestimmten Gegenpol gegenüberstünde. Wir forschen in unserem Innern und stoßen schnell auf Emotionen, seelische Regungen, und fragen uns, ob denn der Geist an ihnen Teil hätte?
Der Blick wandert ins Bücherregal, wo Frederic Vesters Bestseller ausposaunt, der Geist sei nicht vom Himmel gefallen, sei doch letzten Endes als Produkt der Evolution aus den Windungen und Pulsationen unseres Organum sensus, dem Gehirn also, entstanden, sei dessen Geschöpf und dazu bestimmt, mit ihm zusammen zugrundezugehen. Dort setzt man zunächst einmal den Geist mit der Denkfunktion gleich und definiert dann obendrein noch das Denken schlichtweg als Ausfluß der Körperströme. Darüber hinaus geht man soweit, daß sich im Gehirn nicht nur Erkenntnis, sondern auch Bedeutung konstituiere. Doch Vester bildet hier nicht die Ausnahme, im Gegenteil ist er wohl der populärste Vertreter jener materialistischen Wissenschaftsrichtung, die den Geist als Auswuchs des spekulativen Denkens und religiös motivierten Wünschens ansieht. Mit unserer Annahme, es gebe so etwas wie Geist, stehen wir relativ allein und verlassen in der Gegend, die meisten Strömungen der Forschung in Naturwissenschaft und Philosophie lehnen die Existenz eines unabhängigen Geistes rundweg ab, so daß K.L. Pfeiffer schreiben muß: „Den Geisteswissenschaften ... ist nicht so sehr die Wissenschaftlichkeit als vielmehr deren vermeintlicher Gegenstand, eben der Geist, abhanden gekommen.” 5) Wir fragen uns also dreierlei: Erstens: Ist die mit Geist umschriebene Wesenheit lediglich eine vermeintliche, etwa als Appendix der Seele und ihrer triebhaften und emotionalen Regungen? Zum zweiten, ob er gar Ausdruck des Körpers und seiner Funktionen sei, mit anderen Worten, er als Äquivalent unseres Gehirns aufgefaßt werden muß? Zum dritten stellt sich die Frage, inwieweit er als Entität lediglich in den Äußerungen der Ratio und darin der Logik aufscheint?
Um alle diese Fragen und Problemstellungen auszubreiten bedürfte es eines eigenen Buches und so empfiehlt es sich, die Fragestellung einzugrenzen. Doch ein Wort sei noch hier zwischenhinein geschoben. Vielleicht mag dem einen oder anderen Leser diese Frage nach der Eigenexistenz von ‘GeistÂ’ als von nur akademischem Interesse vorkommen und er blättert zum nächsten Artikel, dessen Lektüre vielleicht mit reicherer Ausbeute für die Praxis belohnt werden mag. Er sei aber darauf verwiesen, daß diese Problematik, die sich scheinbar in so weltfernen luft- und leblosen Sphären bewegt, einiges an Zündstoff in sich trägt! Ich zitiere Winfried Weier „Denn in dem Maße, in dem der Geist entwirklicht wird, verliert die Person den Anspruch auf Sonderstellung in Natur und Welt. Die dann noch verbleibende Psyche ist als Phänomen folglich nur noch von den Bereichen der Materie, des Leibes, der Biosphäre aus zu sehen und zu verstehen, nicht aber mehr aus ihrem Bezug zum Geist, also nur noch „von unten”, nicht mehr „von oben”. Die materialistischen, vitalistischen und nihilistischen Menschenbilder sind dann die unausweichliche Folge.” 6)
Aber gerade in jener Erkenntnishaltung, die sich über die Bedingtheit des Wirklichen erhebt, vom direkt wahrnehmbar Wirklichen abstrahiert und somit eine „Entwirklichung” des Objektes betreibt, vollzieht sich Geistes-Tätigkeit. Zu dieser Art Erkenntnis gibt es keine Basis im rein sinnlichen Vorstellen in der Tierwelt, weshalb der geistige Akt als rein menschliches Spezificum zu sehen ist! Es geht also bei der Frage nach dem Geist nicht zuletzt auch um die Frage nach der Stelle des Menschen innerhalb der Schöpfung.

1) „Geistiges Postulat” und Beschränkung der Fragestellungen
Entsprechend dem Erscheinungsmedium dieser Arbeit interessiert hier vor allem das Problem, inwieweit wir Geist als eine von Körper und Psyche unabhängige Entität wahrnehmen und nachweisen können. Um jedoch nicht durch eines der beiden anderen Türchen zu entschwinden, seien die beiden anderen Fragen, wenn schon nicht ausführlich bearbeitet, so doch kurz angerissen. Um vorweg klarzustellen, wovon wir sprechen, wenn wir Geist sagen, sei folgendes Postulat 7) aufgestellt:
Wir postulieren Geist als eine un-bedingte, über-zeitliche, über-zuständliche, freie, kreative, über-bewußte, inkomplexe, einfache Wesenheit.

1a) These: Geist = Ratio
Verhielte es sich tatsächlich so, daß der Geist identisch mit der Ratio wäre, ginge damit die urphänomenologische kreative Bedeutung des Geistes verloren. Was damit gemeint ist, möchte ich weiter unten erläutern. An dieser Stelle sei nun nur soviel ausgebreitet, als daß die Reduktion des Geistes auf die Ratio und seiner Erkenntnisfähigkeiten auf die Logik ein recht dürftiges Bild des Geistes an die weiße Wand werfen würde. Bestünde diese Gleichsetzung von Geist und Ratio zurecht, fielen ihm rein mechanische Tätigkeitsbereiche zu, die auch von Maschinen, sogenannten künstlichen Intelligenzen, zu bewältigen wären. Diesem Verständnis nach wäre Geist Ausdruck materieller und mechanischer Gegebenheiten und als eigenständige Größe überflüssig. Doch sei hier zu seiner Apologie angeführt, daß geistige Gewißheit und Evidenz etwas anderes sind als rationale Einsicht und Klarheit. Denn der Geist als Phänomen übersteigt die Logik und den mit ihr verbundenen Erkenntnisvorgang, die ihrerseits auf ihn angewiesen sind. Der Geist als Sinnhaftigkeit eines zur Tätigkeit gewordenen Vorgangs übersteigt somit das Gerüst der Gedanken, den darin kletternden Verstand und seine Vorgehensweise, die Logik. Er ist evident nicht gleichzusetzen mit Logik, Intellekt oder Vernunft.

1b) These: Geist = Gehirn
Der Positivismus, als wesentliche Strömung der gegenwärtigen Wissenschaft, kommt zu einer weitgehenden Gleichsetzung von Geist und Gehirn. Man sieht ihn als Ausdruck dieses Organs, einzig unklar ist für diese Philosophenschule die Frage, auf welchem Weg das Gehirn den Geist erzeugt. Klar erscheint ihr, daß das Denken von den Körperströmen herrührt und so sehen sie im Geist ein Aggregat zusammenwirkender Teile, das in ihrer Gesamtheit das Gehirn ausmacht. Für sie ist klar, daß das materielle Organ als die eigentliche Ursache des Geistes zu sehen ist und nicht nur als seine Bedingung. Natürlich hängt seine Manifestation im Individuum von der einwandfreien Funktion des Organs ab, doch würde, nehmen wir ein Beispiel aus der Technik, niemand auf den Gedanken verfallen zu behaupten, eine Radiosendung entstehe im Empfängergerät, das jedoch für die Wahrnehmung der Radiowellen unerläßlich ist... Es wird hier die Einfachheit des Geistes und seine Inkomplexität nicht gesehen und ein allzu simpler Materialismus verfolgt.

II) Rüstzeug
Natürlich ist unser kontemporärer Faust auch vertraut mit der psychologischen Wissenschaft und steht mit ihren Theorien auf vertrautem Fuß. Genauso kennt er selbstverständlich (oder paradoxerweise, je nach Blickwinkel) Goethes Faust in weiten Passagen auswendig. Nicht verlor er die antiken Wurzeln des abendländischen Denkens aus den Augen, so daß er sich mit der Ideenlehre Platons vertraut gemacht hat, wie er auch um tieferes Verständnis der Pneumatiker und Eleaten, aber auch um den großen Systematiker Aristoteles gerungen hat. Mit heißem Bemühen hat er durchaus Hegel und seinen Antipoden, Schopenhauer, studiert, doch erst in unserem 20. Jahrhundert wird er bei den wenig gelesenen Denkern Edmund Husserl und Ludwig Klages für sein Thema ausgiebig fündig.
1) Phänomenologie als Wesenswissenschaft
Zur näheren Erforschung des Geistes bedienen wir uns der Phänomenologie, (im Folgenden: Ph.) was wörtlich Erscheinungslehre bedeutet.
Kant vertritt noch die Auffassung, Ph. sei gleichzusetzen mit der Lehre von den empirischen Erscheinungen und stünde im Gegensatz zur Lehre vom Ding an sich, also den abstrakten Ideen, die sich hinter dem realen Ding verbergen – es aber auch hervorbringen. Bei Hegel ist Ph. die metaphysische Darstellung des Bewußtseins in seiner dialektischen Aufwärtsbewegung von der sinnlichen Naivität durch Selbstbewußtsein über Entwicklung von Sittlichkeit, Kunst, Religion, Wissenschaft und Philosophie bis hin zum absoluten Wissen. Schließlich erfährt die Ph. in unserem Jahrhundert mit dem Philosophen Edmund Husserl eine letzte Ausdeutung als die Bedeutungs- und Sinnforschung, die Wesenswissenschaft, die ebenso wie die Geometrie nur mit reinen Essenzen, Wesenheiten, nicht aber mit realen Existenzen, Dingen und Fakten also, zu tun hat. Die HusserlÂ’sche Ph. fragt also nach dem Sinn und nach dem Ursprung des Möglichen, Universellen, Endlosen.

2) Die Intuition als phänomenologischer Erkenntnisvorgang
Will der Geist wahrgenommen werden, bedarf es hierfür der Intuition als Wesensschau, als aktiver Tätigkeit des erkennenden Bewußtseins. Der im Fakten- und Dingbereich lediglich als Vorgang, Ablauf charakterisierte Akt, wird im intuitiven Bereich zur absichtsvollen bewußten Tätigkeit. An dieser Tätigkeit hat das Subjekt aktiv Teil, und erst mit dieser seiner Teilhabe an der Wesensebene betritt das Bewußtsein die Geistsphäre. Mit dem Bewußtsein-von-etwas hat es Teil an dieser Sache und zwar auf der übergeordneten Ebene der Wesenheit, der die Einzelerscheinung bedingenden Universalie. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Man stellt ausgelöst durch die optische Wahrnehmung eine Buche als Einzelindividuum zwar vor, erkennt in ihr jedoch den durch die Blätter atmenden, Wasser erzeugenden Organismus erst im abstrakten Vergleich mit der im Innern geschauten übergeordneten Universalie, ‘BaumÂ’. Husserl folgt hier also genauso der platonischen Ideenlehre nach, wie er Aristoteles berücksichtigt, der die Sphäre der Universalien als Bedingung über jene der individuellen Erscheinungen ansetzte. Diese Schau vollzieht sich weder im Bereich der physiologischen Sinnesleistungen noch in jenem reiner Logik. Doch siedelt sie auch nicht auf der Ebene in Ekstase geoffenbarter mystischer Einsichten! Die für diese Tätigkeit benutzte Intuition ist vielmehr ein Ein-Sehen, Hineinschauen in die inneren Prinzipien, ohne die das jeweilige Objekt nicht Objekt sein kann. Die Intuition als einfaches, inkomplexes Phänomen erfaßt simultan den dem Objekt eigenen Sinn- und Zweckgehalt und ist in jedem einzelnen Intuitionsakt ein unableitbares Novum. Zugleich ist sie außerhalb des zeitlichen Verlaufs angesiedelt, steht jenseits von Ablauf und Dauer, ist keinem Zustand verhaftet, also un-zuständlich. Die geistige Intuition baut als kreative Kraft das Objekt vor sich auf entwirft und ersinnt es aus dessen innersten Kern heraus, ohne den es nicht das bestimmte Objekt sein könnte, das es dann tatsächlich auch wird. Die Intuition erkennt also den Wesenskern des Objekts um es aus dieser Erkenntnis oder Schau heraus zu kreieren. Sie versteht das Objekt aus dessen Funktion und Bedeutung heraus, das heißt aus seinem Grund und Ursprung. Sie überschreitet die bloße Vorstellung des Faktischen um ein weites, indem sie jene Wesenszüge, die nicht nur das Tatsächliche, sondern auch das Potentielle beinhalten, erkennt, also in die Welt aller möglichen Dinge, hinter den Tatsachen, eindringt.

„Wirklichkeiten nach den Gesetzen ihrer reinen Möglichkeiten beurteilen, oder sie nach ‘WesensgesetzenÂ’, nach apriorischen Gesetzen beurteilen, ist eine universale, auf jederlei Wirklichkeit zu beziehende und durchaus notwendige Aufgabe.” 8) Erst mit der geistigen Sinnschau wird jene Sphäre errichtet, die als Hintergrund und Basis für die physisch wahrnehmbare Welt der Erscheinungen agiert. Erst im Schaffen dieser Sphäre und in ihrer Durchdringung wird alles Verstehen der Welt ermöglicht. Diese Wesenserkenntnisse gelten von vornherein und für alle möglichen zufällig beobachteten Tatsachen des betreffenden Wesens in ihrer letzten Allgemeingültigkeit und haben also transzendent zu jenem kleinen Abschnitt der sinnlich erfahrbaren Welt Bedeutung und Gültigkeit. 9)Faust bleibt jedoch noch immer der Trost: Wer allzeit strebend sich bemüht, den wollen wir erlösen!

Der Beitrag wird fortgesetzt.
Literaturangaben erfolgen am Schluß
Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
Nettelkofer Str. 1
85567 Grafing
 
 



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