Depressionen
Was ist es denn, was sich hier in körperlichen Schmerz verwandelt?
Über den Zusammenhang von Schmerz und seelischem Erleben
Freud schreibt: „Die vorsichtige Antwort wird lauten: etwas, woraus seelischer Schmerz hätte werden können und sollen.“
Dieser Aufsatz ist ein Versuch die psychischen Faktoren darzustellen, die bei der Entwicklung von chronischen Schmerzen eine Rolle spielen.
Nach Baar leiden in Deutschland ca. 3 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen (Schmerzen bei Krebserkrankungen wurden nicht berücksichtigt).
Was ist Schmerz überhaupt? Jeder Mensch erlebt Schmerz anders. Er ist nicht meßbar und damit nicht in scheinbar objektive Kriterien transformierbar. Die Internationale Association for the Study of Pain definierte 1979 Schmerz folgendermaßen:
Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.
Diese Definition:
– betont den emotionalen Aspekt.
– hebt die zu einfache Kausalverbindung von Gewebsschädigung und Schmerzerleben auf. (Schmerz ist Schmerz, auch wenn keine organischen Auslösebedingungen identifizierbar sind). An diesem Punkt möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß es Erkrankungen gibt, wie z.B. die Sklerodermie oder die akute intermittierende Porphyrie, die häufig erst nach längeren frustranen Diagnosen und Behandlungen erkannt werden.
– Der Schmerz wird vom Subjekt als körperliches Phänomen erfahren (Ausschluß: Trennungsschmerz, Heimweh u.a.).
Unzureichend ist, daß nicht differenziert wird zwischen akutem und chronischen Schmerz (siehe Tabelle 1) und der Schmerz als einseitiges Erleben dargestellt wird, ohne zu berücksichtigen, daß er auch vom Schmerzverhalten der Person abhängig ist. Schmerzverhalten ist zum einen individuell, aber auch situations-abhängig. Schmerzen können durch Umlenkung der Aufmerksamkeit gelindert werden. Viele Eltern machen das fast automatisch, wenn sich das Kind irgendwo gestoßen hat und sie dem Kind eine Geschichte erzählen, ihm etwas vorsingen oder mit ihm spielen. Während des 2. Weltkrieges bemerkte man, daß Verletzte bedeutend weniger Opiate brauchten, wenn sie die Hoffnung hatten aus dem Kriegsgebiet ausgeflogen zu werden.
Beim chronischen Schmerz verwandelt sich das Schmerzgeschehen vom Warnsignal durch das uns unser Körper auf Schädigungen aufmerksam macht (akuter Schmerz z. B. Bauchschmerz bei Blinddarmentzündung; Zahnschmerz bei Zahneiterungen) zur Krankheit selbst. Die Warn- und Schutzfunktionen sind aufgehoben und es geht nur noch darum vom Schmerz „erlöst“ zu werden.
Nach Gerbershagen u. Schmitt (1995) wird der chronische Schmerz als Störungssyndrom durch folgende Merkmale beschrieben:
– anhaltende oder sich wiederholende Schmerzen über einen Zeitraum von 6 Monaten
– eine enge Kopplung mit eindeutig schädigenden Faktoren ist häufig nicht vorhanden. Die organischen Schädigungsfaktoren erscheinen zuweilen disproportional zur berichteten Schmerzintensität und/oder Schmerzlokalisation.
– eine Reihe von erfolglosen (insbesondere kausalen) Behandlungsversuchen
– deutliche Beeinträchtigung auf verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens:
kognitiv-emotional (Besinnlichkeit, Stimmung, Denken)
behavioral (verstärktes schmerzbezogenes Verhalten, Reduktion von Alternativverhalten)
sozial (Arbeitsunfähigkeit, Beeinträchtigung der Interaktion mit Familie, Freunden, Bekannten)
physiologisch-organisch (Mobilitätsverlust etc.)
– eine Tendenz zur Schmerzausbreitung auf verschiedenste Körperareale
– eine Entwicklung zu einer Dauerschmerzbelastung ohne Linderungsphasen
– eine Tendenz zur Schmerzintensivierung
Aber warum chronifizieren bei manchen Menschen Schmerzen und bei anderen nicht? Für Pragmatiker unter den Schmerztherapeuten ist diese Frage eher irrelevant. Sie richten ihr Augenmerk auf die aufrechterhaltenden Faktoren. Ich glaube, daß es sinnvoll ist, sich mit dem „Warum“ zu beschäftigen, weil wir uns sonst selbst einengen in unseren therapeutischen Möglichkeiten, deren Kreativität so stark vom Verstehen abhängt. Für das Verständnis von Schmerzgeschehen ist deshalb wichtig die Persönlichkeitsstruktur eines Schmerzpatienten, also das was er als Möglichkeiten auf seinen Lebensweg mitbekommen hat mit Konflikten umzugehen, zu beachten. Wir haben verschiedene Möglichkeiten mit Konflikten umzugehen, wobei die Konfliktauflösung das Ideal ist. Aber jeder Mensch wird auch, je nach Persönlichkeitsstruktur Möglichkeiten haben Konflikte abzuwehren. Um hier nur einige wichtige zu nennen die Verdrängung, Verschiebung und Verleugnung.
In der Tiefenpsychologie wird dann von neurotischen Abwehrmechanismen gesprochen, da die Konflikte nicht gelöst werden und die Abwehroperationen zu psychischen Beschwerden wie Depression, Angstzuständen u.a. führen können.
Das Schmerzerleben ist eine unspezifische seelische Reaktionsform – ähnlich wie die Angst – und kommt auf allen Ebenen der psychotischen wie neurotischen Persönlichkeitsstrukturen vor. So können Schmerzzustände im Rahmen von Psychosen auftreten (coenästhetische Schizophrenie) oder bei Menschen mit Borderline-Persönlichkeit, narzißtischen – und klassischen (u.a. depressive, zwanghafte, histrionische) neurotischen Persönlichkeiten.
1. Die psychotische Persönlichkeit:
Der Psychotiker versucht mit dem halluzinierten Schmerz eine erlebbare „erfüllbare“ Ordnungsgestalt in sein Chaos zu bringen. In der Hoffnung das Schmerz immer etwas reales, wirkliches ist erscheint ihm zumindest dieser Teil seines Erlebens nicht als „ver-rückt“. Dieser Versuch mißlingt, da die Halluzinationen die Realitätskontrolle verschlechtern u.a. dadurch, da seine Erklärungen wahnhaft ausgestaltet ist. Wesen aus dem All bereiten ihm durch Strahlungen Schmerzen; oder das der Geheimdienst einen Sender implantiert hat, der ihn schmerzt.
2. Die Borderline-Persönlichkeit:
Ihre Schmerzsymptome werden als Folge der Desintegration und als kompensatorische Stabilisierungsversuche aufgefaßt. Ihnen stehen für Konflikte wenig Abwehrmechanismen zur Verfügung, das heißt sie leben in unserer Welt ohne ausreichenden Schutz vor den Unbillen des (psychischen) Lebens. Autoaggressive Selbstverletzungen, bei denen sich der Schmerz noch aktiv zugefügt werden muß, dienen als Grenzsetzungs- und Ordnungsversuche. Für die Vertiefung möchte ich auf das Buch von Otto Kernberg über Borderline-Störungen hinweisen.
3. Die narzißtische Persönlichkeit:
Die Schmerzsymptome sind affektive Begleitsymptome der Gefährdung des Selbstes. Diese Gruppe hat kein stabiles Selbstwertgefühl, sie schöpfen die Lebenserfolge wie mit einem Sieb Wasser, d.h. sie können noch so erfolgreich sein, und es bleibt doch nichts übrig. Täglich müssen sie „es“ sich aufs Neue beweisen und Mißerfolge sind Katastrophen (narzißtische Krisen), die das Selbstwertgefühl auf Null sinken lassen.
Es sind die extrem leistungsorientierten Patienten („überforderte Patienten“) die bis zu dem „Ereignis“ gerade noch psychisch kompensieren konnten, d.h. sie haben bis zu dem Zeitpunkt immer am oberen Leistungslimit gelebt und geglaubt, daß dieser Raubbau Körper und Psyche unbeschadet läßt. Es bestehen bei dieser Gruppe infantile Unverletzlichkeitsphantasien aus der frühen Kindheit fort. Versagungs- und Mißerfolgserlebnisse führen zu einem regressiven Verhalten, die narzißtische Krise vermittelt dem Patienten ein ausgeprägtes Gefühl von Hilflosigkeit. Als Beispiel sei ein Patient angeführt, der als er nicht befördert wurde, sondern ein Kollege ihm vorgezogen wurde, starke Rückenschmerzen entwickelte. Von den Ärzten wird erwartet, daß sie quasi durch Zauberkraft die Krankheit und ihre Folgen auf der Stelle beenden. Wobei in dem angeführten Fall die Beendigung der Schmerzen, eine Auseinandersetzung mit der kränkenden Zurücksetzung am Arbeitsplatz hätte erfolgen müssen.
– Idealisierung und Entwertung der Ärzte. Diese Patienten sind zu Anfang „Feuer und Flamme“, sie versichern einem wie glücklich sie sind endlich jemanden gefunden zu haben, der Kompetent ist, wo doch die 20 Behandler vorher alles Versager waren. Doch wehe wir können nicht sofort Abhilfe schaffen, dann erfolgt der mißtrauische Rückzug und die Entwertung und zuletzt der Therapeutenwechsel. Diese Menschen werden auch etwas flapsig als Koryphäen-Killer bezeichnet.
– narzißtische Neuorganisation als leidendes Opfer. Ihre Krankheit und ihr Leiden ist etwas noch nie Dagewesenes; vor dem alle wie ein Rätsel stehen. Das macht sie wieder zu etwas besonderem und wertet sie auf. Von anderen Patienten lassen sie sich meist abgrenzen durch den plötzlichen, dramatischen Krankheitsbeginn, des Erlebnisses ausgeprägter Hilflosigkeit und des subjektiven Erlebnisses uninteressierter Behandler.
4. Die klassisch neurotische Persönlichkeit:
(depressive, zwanghafte, hypochondrische, dissoziative sog. histrionische Persönlichkeiten). Das Schmerzsymptom stellt hier eine Kompromißbildung zwischen Abwehr und abgewehrten Erleben dar. Affekte wie Angst, Scham, Ekel, Schuld und Neid, die diese Patienten für sich als Gefühle nicht akzeptieren, werden durch die psychovegetative Symptombildung abgewehrt. Hier ist das ganze Spektrum sexueller, analer und oraler Trieb- und Beziehungskonflikte zu finden. Affekte bzw. Gefühle erleben wir am Beginn unseres Lebens körperlich. Im Laufe unserer Entwicklung entsteht eine Desomatisierung, in dem sich das körperliche und seelische Erleben trennt. Es bleiben aber vegetative Korrelate der Affekte (Gefühle) bestehen: Wenn wir uns freuen haben wir Herzklopfen, bei Angst steigt unser Blutdruck, Schamgefühle führen zu Hautveränderung. Aber es kann die Desomatisierung unzureichend sein, oder eine Resomatisierung stattfinden, dann sind Affekte ausschließlich somatisch repräsentiert dies wir als Affektsomatisierung bezeichnet. Was hier so wissenschaftlich klingt ist eine alte Volksweisheit, die sich auch in der bildreichen Sprache niedergeschlagen hat.
„Vor Ärger lief mir die Galle über“; „das hat ihm das Herz gebrochen“ oder „er hat ein breites Kreuz“, wenn wir jemanden beschreiben, der viele Belastungen erträgt. Allgemein ist die Dynamik wie folgt zu beschreiben:
Neurotischer Konflikt – pathologischer Affekt – Affektsomatisierung – psychovegetatives Symptom (u.a. Schmerz).
Ich möchte hier nur auf die Patienten eingehen, bei denen das chronische Schmerzgeschehen im Zusammenhang mit einer Depression auf der neurotischen Ebene steht. Unbestritten machen chronische Schmerzen Menschen jeder Persönlichkeitsstruktur depressiv. Im weiteren Aufsatz soll es um die Gruppe von Schmerzpatienten gehen, bei denen der Schmerz als Depressionsäquivalent anzusehen ist. Früher sprach man dann von einer lavierten Depression. Menschen mit depressiver Persönlichkeitsstruktur fürchten meist unbewußt den Liebesverlust, deshalb neigen sie dazu sich anzupassen und zu unterwerfen, eigene Bedürfnisse schuldhaft zu erleben oder ihre eigenen Bedürfnisse hinter Altruismus und Bescheidenheitsideologie zu verbergen. Der neurotische Konflikt besteht darin, daß sie fürchten jeder Wunsch nach Eigenständigkeit führt zum Verlust der Liebe des oder der anderen. Als Patienten sind sie sehr unterwürfig, bereit jede Therapie über sich „ergehen“ zu lassen. Dieses „alles mit sich machen lassen“ mutet masochistisch an. Diese „pain proneness“ kann den Behandler zur invasiven Diagnostik und Therapie verführen.
Wie kommt es dazu, daß Seelenschmerz nur als Körperschmerz empfunden wird? Ich habe versucht darzustellen, daß der Schmerz je nach Persönlichkeitsstruktur unterschiedliche innere Bedeutung hat.
Außerdem spielen für das Schmerzverhalten auch Lernvorgänge eine wichtige Rolle. Wie wurde in der Familie mit Schmerzen umgegangen? Ich möchte hier an Daniel Stern erinnern, und seine Beobachtungen über Paradoxe Stimulation. Er beobachtete, daß es Mütter gibt, die sich ihren Kleinkindern nur dann emotional zuwenden, wenn ihnen ein Unglück geschieht. Die Kinder reagierten darauf mit „vermehrten Unglükken“. Vermutlich entsteht eine assoziative Verkoppelung von Schmerz und sozialer Beziehung.
Als drittes kann jetzt noch der Modus der psychogenen Schmerzentstehung (Ermann) unterschieden werden:
1. Konversionsschmerz
Freud 1895 (zur hysterischen Bewußtseinsspaltung): „Der Mechanismus war der der Konversion, d.h. anstatt der seelischen Schmerzen, die sie sich erspart hatte, traten körperliche auf, es wurde so eine Umwandlung eingeleitet, bei der sich als Gewinn herausstellte, daß die Kranke sich einem unerträglichen psychischen Zustand entzogen hatte, allerdings auf Kosten einer psychischen Anomalie, der zugelassenen Bewußtseinsspaltung und eines körperlichen Leidens, der Schmerzen...“ Der Konversionsmechanismus blieb früher den histrionischen Persönlichkeiten vorbehalten, heute muß er eine verbreiterte Anwendung finden.
Auslöser: Oft ein an sich unbedeutendes Schmerzerlebnis.
Charakteristika:
a. Der Ausdrucksgehalt, das Symbolische, seine Bedeutung. So kann ein orofacialer Schmerz für den (schmerzlichen) Verlust des jugendlichen Gesichtes stehen oder die stechenden Unterleibsschmerzen für den Verlust eines Kindes durch Abort.
b. Der chronifizierende Verlauf bei gleichbleibender Lokalisation, d. h. der Schmerz breitet sich nicht auf andere Körperregionen aus. Es besteht keine wesentliche Begleitsymptomatik.
c. Es ist ein reiner Erlebnisschmerz ohne pathophysiologisches Zwischenglied, wie z. B. Muskelhartspann.
Die Patienten sind meist gegenüber psychischen Faktoren „als Denkmöglichkeit“ aufgeschlossen.
Diagnose: Primäres psychogenes Schmerzsyndrom; im DSM III: „Somatoforme Schmerzstörung“
2. Die konversionsneurotische Ausgestaltung
eines ursprünglich organisch bedingten Schmerzzustandes.
Auslöser: Nach einer körperlichen Erkrankung (z.B. Bandscheibenprolaps) oder Operation, bleibt der Schmerz trotz günstigem somatischen Heilungsverlauf erhalten und nimmt, ohne erkennbaren somatischen Grund, sogar zu.
Charakteristika:
a. Das unbewußte Festhalten am Körperschmerz, was auch in der Therapie deutlich wird.
b. Der Schmerz hat eine Bedeutung, z.B. die Trauer über den Verlust des Organs (Narbenschmerzen nach Gebärmutterentfernung).
Diagnose: sekundäres psychogenes Schmerzsyndrom
3. Die psychovegetativen Schmerzen sind Korrelate für Angst, Depression und narzißtischer Wut. Affektsomatisierung!
Charakteristika:
a. Oft in polysymptomatische Syndrome eingebettet und wechseln stark in Lokalisation und Intensität.
b. Zwischen seelischem Affekt und Schmerzerleben besteht ein pathopysiologisches Zwischenglied. Affekt – muskuläre Verspannung – Ischämie – Ischämieschmerz.
Diagnose: Primäres psychogenes Schmerzsyndrom
4. Mischbilder:
In manchen Fällen kann nicht sinnvoll zwischen Konversionsschmerz und psychovegetativem Schmerz unterschieden werden. Als Beispiel: Eine zwangsneurotisch verarbeitete Aggression wird zunächst somatisiert („Haltung bewahren“) – führt über einen Ischämieschmerz zu chronischen Rückenschmerzen – im weiteren Verlauf erlangt der Schmerz die Bedeutung einer gerechten Strafe für unbewußte Schuldgefühle („Mir geschieht’s grad recht“).
Ich habe versucht die unterschiedlichen Aspekte darzustellen, die von Seiten der Psyche chronische Schmerzen bedingen oder mitbedingen. Wie gehe ich aber mit dem Patienten um?
Technik der Gesprächsführung bei chronischen Schmerzpatienten
Das wichtigste ist, zu versuchen eine konstante und zuverlässige Beziehung zum Patienten zu entwickeln. Hierzu gehört die Sicherstellung, daß das Interview in einer für den Patienten günstigen Situation abläuft. Er soll wissen, wieviel Zeit sich der Therapeut für ihn nehmen kann, bequem sitzen u.a.
Offenen Fragen sind zu Beginn wichtig, damit der Patient mit dem beginnen kann, was ihm wichtig ist. Wird zu früh aktiv und detailliert gefragt, gerät der Patient in eine passive abwartende Rolle und das Gespräch wird zum „Ausfragen“ und läuft Gefahr, daß diejenige Anamnese erhoben wird, die der Behandler in den Patienten hineinlegt. Trotz der immer besser werdenden Diagnostik Schmerzen sind immer ein völlig subjektives Phänomen in Erleben des Patienten. Deshalb sollte die Qualität des Schmerzes genau erfragt werden. Gelingt es dem Patienten schwer den Schmerz zu beschreiben, so nach früheren Erfahrungen mit Schmerzen fragen und ob es da eine Ähnlichkeit gibt. Vor allem nach der subjektiven Bedeutung des Schmerzes fragen. Dadurch wird ein emphatisches Verstehen der „persönlich relevanten Stressoren“ möglich.
Sich einlassen auf die Vorstellungen und Laientheorien von Patienten bezüglich des Zustandekommens der Symptomatik. Dies stärkt die Arbeitsbeziehung und ermöglicht mit dem Patienten später auch eine andere Sichtweise seiner Schmerzen zu diskutieren.
Es muß versucht werden die bio-psycho-soziale Situation des Patienten kennenzulernen und die Bedeutung die die Krankheit für den Patienten hat zu verstehen. Es sollte abgeschätzt werden, wie stark das Bedürfnis des Patienten nach Verleugnung bzw. Aussprache ist, um die Art seiner Bewältigungsmechanismen respektieren zu können. Fehlerwartungen sollten nicht bestärkt werden, jedoch sollte der Patient auch nicht entmutigt werden eigene autonome Wege zu beschreiten. Im Gespräch braucht der Patient Raum um sich affektiv zu entlasten und Ängste und Befürchtungen in Bezug auf sich selbst und sein Umfeld ansprechen zu können. Gegebenenfalls sollten die Angehörigen zur Unterstützung des Kranken in die Therapie mit einbezogen werden.
Wie ein Anwalt seinen Klienten über eine schwierige Rechtslage aufklärt, so sollte auch der Behandler seinen Patient über psychosomatische Zusammenhänge aufklären. Weniger „gate-Kontroll“, mehr die Zusammenhänge von Leib und Seele bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerzen. Dies ist besonders schwierig, wenn anfangs ein rein somatisches Vorgehen gestanden hat und das Psychische als Restkategorie gehandelt wird.
Zurückhaltung sollte man sich bei weiteren diagnostischen Maßnahmen auferlegen, besonders wenn sie keine therapeutischen Konsequenzen haben. Cave: unklaren Befunden. Sonst dienen sie nur dazu die eigene Hilflosigkeit zu überspielten und der Patient wird auf ein somatisches Procedere konditioniert und implizit damit auf eine rein somatische Genese, statt eines multicausalen emotionalem Geschehen.
Abschließend möchte ich noch anmerken, daß das Aushandeln von realistischen Therapiezielen und das Ansprechen überzogen-idealisierter Erwartungen für eine Behandlung von chronisch schmerzkranken Menschen eminent wichtig ist.
Literatur
Basler, H.-D. et.al. (1996) Psychologische Schmerztherapie. Springer, Berlin
Ermann, M. (1995) Psychotherapeutische und psychosomatische Medizin. Kohlhammer, Stuttgart
Uexküll v., T. (1996) Psychosomatische Medizin. Urban u. Schwarzenberg, München
Anschrift der Verfasserin:
Dr. Katharina Giesemann
Kanalstr. 6
80538 München
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