Rheumatischer Formenkreis: Naturheilkundliche Behandlungskonzepte
von Susanne Dürrfeld-Flügel
Rheuma als Bezeichnung einer Erkrankung im Bereich des Bewegungsapparates ist fast jedem ein Begriff. Wer "Rheuma" hat, ist arm dran, denn viel machen kann man da nicht - so die landläufige Meinung. Die oft jahre- oder sogar jahrzehntelangen Leidensgeschichten vieler Patienten bestätigt dies. Im Gegenteil: in den Industrienationen verursacht Rheuma die meisten Fälle von Frühinvalidität. Es erkranken mehr Menschen auf der Welt an Rheuma als an Krebs! Aber was nun eigentlich Rheuma tatsächlich ist, wer davon betroffen sein kann und was denn außer den schulmedizinischen Behandlungsmethoden noch "zu machen" ist, ist ein weiter Themenkreis, der es verdient, eingehender betrachtet zu werden.
Was ist eigentlich Rheuma?
Hinter dem Begriff Rheuma verbirgt sich nicht eine bestimmte Krankheit, sondern eine Vielzahl von Krankheitsbildern - man schätzt sie auf 400 einzelne Erkrankungen - deren gemeinsames Merkmal der Schmerz am Bewegungsapparat ist.
Diese erste Definition läßt unschwer erkennen, daß unter einem derart unspezifischen symptologischen Begriff die unterschiedlichsten Krankheitsbilder fallen, die oft nur sehr schwer voneinander abgegrenzt werden können. So gesehen kann "Rheuma" keine Diagnose sein, sondern nur eine richtungsweisende Feststellung.
Die Rheumatologie, die Lehre von den rheumatischen Krankheiten, konzentriert sich auf schmerzhafte Erkrankungen im Bewegungsapparat, unter Umständen auch verbunden mit einem Funktionsverlust und einer Deformierung. Dies betrifft also die kleinen und großen Gelenke, die Wirbelsäule, die Muskulatur, Sehnen, Gelenkkapseln und Bänder. Betroffen können aber auch sein die Augen, Rippenfell, Herz, Nieren, Darm, Gefäße, Nerven und Gehirn. Die Schulmedizin teilt den rheumatischen Formenkreis in drei Gruppen ein:
1. die entzündlich-rheumatischen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen
2. die degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen
3. und die sogenannten weichteilrheumatischen Erkrankungen
Karl 2 weist in seinem Buch Neue Therapiekonzepte für die Praxis darauf hin, daß jeder Versuch den rheumatischen Formenkreis zu definieren und zu klassifizieren Schwierigkeiten bereitet und meistens nicht befriedigen kann. Er schlägt deshalb folgende Einteilung vor:
1. primär-chronische Polyarthritis
2. Arthritiden verschiedener Lokali- sation
3. Arthrosen verschiedener Lokalisation
4. Muskelrheuma, Sehnenscheiden- und Gelenkbeutelerkrankungen
Die Nomenklatur der Internationalen Rheumaliga lehnt sich an die bereits oben dargestellte Dreiteilung an:
1. Entzündlicher Rheumatismus
Akutes Rheumatisches Fieber
Primär-chronische Polyarthritis mit ihren Sonderformen und Varianten, vor allem Arthropathia psoriatica, Morbus Reiter, Juvenile chronische Polyarthritis (j.c.A.)
(PCP-) Polyarthritis chronica progressiv Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew)
2. Degenerativer Rheumatismus
Arthrosen der mittelgroßen und großen Gelenke - Arthrosis deformans
Polyarthrose der kleinen Fingergelenke Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen: Spondylosis deformans, Osteochondrose, Spondylarthrose
3. Extraartikulärer Rheumatismus
Muskelrheumatismus
Pannikulitis
Periarthritis humeroscapularis
Epikondylitis humeri (Tennisellenbogen)
Periarthritis coxae
Bursitis, Tendovaginitis, Tendoperiostitis
Neuritis
Generalisierte Fibrositis
Alle diese Varianten - und es gibt noch einige mehr - machen deutlich, wie schwer es ist, den rheumatischen Formenkreis auf einen Nenner zu bringen und klar zu definieren.
Die wohl häufigste und bekannteste Form des rheumatischen Formenkreises ist die chronische Polyarthritis. Rund 3 % der Gesamtbevölkerung ist von dieser entzündlichen Form betroffen. Man nimmt an, daß es sich dabei, ebenso wie bei den Kollagenosen, um eine Autoimmunkrankheit handelt. Bei dieser Erkrankung werden bevorzugt die Gelenke befallen. Durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems werden Antikörper gegen die Synovalis (Gelenkinnenhaut) gebildet. Von der dadurch ausgehenden Entzündung, die oft mit einer Ergußbildung einhergeht, kann bei Fortschreiten der Erkrankung ein zerstörender Prozeß auf den Knorpel und den gelenkbildenden Knochen übergreifen. Bei schweren Verläufen kann einerseits durch die Lockerung der Gelenkkapsel eine Luxation des Gelenkes eintreten. Andererseits können sich gerade nach einem langjährigen Verlauf auch Ankylosen (knöcherne Durchbauungen der Gelenke) entwickeln, die eine vollständige Versteifung der Gelenke bedingen.
Eine relativ unbekannte Form der entzündlichen rheumatischen Erkrankungen ist die Spondylitis ankylosans, der sogenannte Morbus Bechterew. Benannt wurde die Krankheit übrigens nach dem russischen Arzt W.V. Bechterew, der erstmals das Bild einer versteifenden Wirbelsäulenerkrankung beschrieb.
Die Spondylitis ankylosans zählt ebenso wie die chronische Polyarthritis zu den entzündlich rheumatischen Erkrankungen. Hier ist jedoch die gesamte Wirbelsäule betroffen. Wie bei allen entzündlich rheumatischen Erkrankungen verläuft auch die Spondylitis ankylosans in Schüben. Beschwerdefreie Intervalle können sich mit Zeiten starker Krankheitsaktivität abwechseln. Auch hier kann sich der chronischen Verlauf über Jahre oder sogar Jahrzehnte erstrecken. Die entzündlichen Veränderungen befallen hier vor allem die Wirbelsäule, und zwar den Band- und Halteapparat mit dem die Bandscheibe umgebenden Gewebe und die Zwischenwirbelgelenke. Beginnend vom Kreuz-Darmbeingelenk breitet sich die Spondylitis ankylosans weiter nach oben aus. Das charakteristische dabei ist die Neigung zur Verfestigung und Verknöcherung des entzündeten Bindegewebes, was eine vollständige Versteifung der Wirbelsäule bewirken kann.
Ursache rheumatischer Erkrankungen
Auf der Suche nach der Ursache rheumatischer Erkrankungen scheiden sich die schulmedizinischen Geister stark von den ganzheitlichen bzw. naturheilkundlichen. Backhaus 3 formuliert es ganz drastisch unter Anlehnung an die Worte Ich weiß, daß ich nichts weiß. Er meint, daß es die schulmedizinischen Rheumaspezialisten bisher nicht geschafft hätten, eine gültige und anerkannte Theorie der Rheumaentstehung zu entwickeln. Auf der anderen Seite stehen die Wissenschaftler, die die Kompetenz und Wirksamkeit der sogenannten Außenseitermethoden mehr als nur anzweifeln und statistisch gesicherte Wirkungsnachweise fordern. 4 Zwischen den Parteien stehen die Patienten und deren Leiden. Fest steht aber wohl, daß die Ursachen der rheumatischen Erkrankungen bis heute nicht erforscht sind. Seit einigen Jahren ist bekannt, daß Zytokine (körpereigene Botenstoffe) die Entzündung bei der chronischen Polyarthritis aufrecht erhalten. Die Schulmedizin nutzt diese Erkenntnis, um neue Behandlungsansätze zu finden.
KARL gibt eine Reihe von Faktoren an, die als Ursache für eine rheumatische Erkrankung in Frage kommen können: die allergische Komponente; der Rheuma-Virus; neuropathologische Faktoren und hormonelle Regulationsstörungen.
Der wesentliche Unterschied in der Bestimmung der Ursache, Entstehung, Diagnose und letztlich der Therapie zwischen Schulmedizin und der Naturheilkunde dürfte in der Betrachtungsweise liegen: Backhaus macht deutlich, daß "eine Krankheit im Sinne der Naturheilmedizin (...) nichts Eigenständiges, also kein örtlich begrenztes Geschehen im menschlichen Körper" ist. Eine Krankheit kann nicht isoliert, sondern "es muß das ganze System Mensch" behandelt werden. Diese Einstellung spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Therapiemaßnahmen wieder.
Diese Informationen und Veranstaltungshinweise
finden Sie auch in der Zeitschrift Naturheilpraxis des Pflaum-Verlages:
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