125 Jahre biochemische Heilweise nach Dr. Schüßler
von Peter Emmerich
Vorbehaltlos begegnen viele junge Menschen der Biochemie. Sie ist leicht zu überschauen, leicht zu erlernen und dazu noch kostengünstig. Mineralsalze sind lebensnotwendig. Und das weiß 1998 jeder Sportler. Nicht umsonst trinkt ein Boris Becker während einem stundenlangen Tennismatch mineralhaltige Flüssigkeiten.
Ein Bericht nicht nur für Tennisspieler, Bergsteiger oder Marathonläufer, sondern für jeden der diese bewährte traditionelle Heilweise einmal näher kennenlernen möchte.
Wir schreiben das Jahr 1873. In der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung Nr. 12 (Band 86) erscheint auf den Seiten 91 und 92 ein Aufsatz mit dem Titel "Eine abgekürzte homöopathische Therapie" des Oldenburger Mediziners Dr. med. Wilhelm Heinrich Schüßler (geb. am 21. August 1821 in Bad Zwischenahn). Er sorgt für große Aufregung in den Reihen seiner homöopathischen Kollegen. Man bezichtigt Schüßler sogar des Verrates der klassischen Homöopathie. Dabei hat Schüßler nur seine eigenen Erkenntnisse niedergeschrieben und veröffentlicht.
Überdrüssig geworden hunderte von Arzneimittelbilder im Kopf zu haben, ständig auf der "Jagd" nach den "auffallenderen, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen (charakteristischen) Zeichen und Symptome"(§ 153 im 6. Organon von S. Hahnemann) bei jeder Patientenanamnese, begibt sich Schüßler auf einen neuen Weg.
Angeregt durch die Arbeiten des niederländischen Physiologen Jacob Moleschott (1822 - 1893), welcher erkannte, daß Phosphor wichtig für die Nervenzelle ist und den Satz "ohne Phosphor kein Gedanke" (1852) prägte (wir kennen heute diese Phosphatverbindung unter Phosphatidylcholin oder allgemein als Lecithin bekannt, als eine sehr wirksame Substanz bei Störungen der Gedächtnisleistung), kam Schüßler zu der Überzeugung, daß fehlende anorganische Mineralsalze gestörte Lebensvorgänge und somit Krankheiten hervorrufen. Folglich tritt eine Hemmung des Zellstoffwechsels auf. Führt man das oder die fehlenden Mineralsalze zu, so kommt der gestörte Zellstoffwechsel wieder in Gang. Rudolf Virchow (1821 - 1902), seines Zeichens Professor für Pathologie an der Charité in Berlin, führt in seinem Hauptwerk "Cellularpathologie" (1858) aus, daß letztendlich jedes Leiden nur auf eine Störung in den Zellen beruhe. "Nur die Zelle kann krank werden - die Zelle als kleinste funktionsfähige Einheit des menschlichen Körpers", war damals die Botschaft Virchow. Er löste die über Jahrhunderte bestehende Humoralpathologie dadurch ab, indem er sie durch seine neu geschaffene Zellularpathologie ersetzte. Hippokrates (um 460 - 375 v.Chr.) Säftelehre hatte somit ausgedient und verschwand zusehends aus den medizinischen Lehrbüchern der Pathologie.
"Und der ist größer als der größte Feldherr, der es schafft dort zwei Halme wachsen zu lassen, wo bisher nur einer wuchs", ließ sogar Heinrich Spoerl den Pfeiffer mit "drei F" in seiner Feuerzangenbowle sagen, als dieser vor dem Oberschulrat den Chemielehrer nachäffte, um einen historischen Bezug zu dem Erfinder des Kunstdüngers, dem Agriculteur Justus von Liebig (1803 - 1873) herzustellen. Liebigs Verdienst war es zu erkennen, daß Stickstoff, Phosphate und Kalium notwendig sind ertragreiche Landwirtschaft zu betreiben. Noch heute kennen wir diese Kunstdünger-Mischung unter dem Kunstbegriff "Nitrophoska".
Dies alles regte den jungen Arzt Schüßler (1876) zu folgender Überlegung an: "Für die Landwirtschaft haben sich die anorganischen Stoffe der Pflanzen durch die Agriculturchemie bereits ihre Verwertung gefunden. Danach ist meine Therapie ein Analogon der Agriculturchemie. So, wie man - was jeder rationelle Landmann weiß - kränkelnde Pflanzen durch Begießen mit einer Lösung des ihnen entsprechenden Salzes zum Gedeihen bringen kann, so curire ich die erkrankten animalischen Gewebe mittels Verabreichung von Molekülen eines anorganischen Salzes, welches demjenigen homogen ist, durch dessen Funktionsstörung die betreffende Krankheit bedingt ist".
Eine Idee war geboren! Des weiteren ließ Schüßler Organteile von Leichen verbrennen, analysierte die Asche auf ihren Mineralstoffgehalt und fand somit einen Zusammenhang zwischen dem veränderten Mineralhaushalt und der Krankheitsursache bzw. dem Leiden des Verstorbenen.
Sein Erfolg gab ihm recht. Über 1.000 an Diphtherie erkrankte Kinder, welche von seinen Kollegen schon aufgegeben worden waren, konnte er mit seiner auf "zwölf Mineralsalze verkürzte Homöopathie" heilen. Schüßler bestätigte die Forschungsergebnisse Moleschotts - "Gesund bleiben kann der Mensch nur, wenn er die nötigen Mineralstoffe in der erforderlichen Menge und im richtigen Verhältnis besitzt" - und postulierte, "daß mit Kalk, Natrium, Kalium, Magnesia und Eisen in ihren Verbindungen mit Phosphorsäure, Schwefelsäure und Chlor sämtliche Krankheiten, welche überhaupt heilbar sind, auf diesem Wege heile." Das brachte ihm einen Ruf weit über die Landesgrenze von Oldenburg hinaus ein.
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