Psycho-Somatik
Systemische Familienberatung in der naturheilkundlichen Praxis
von Martin Schäffner
Das Fortschreiten einer systemischen, konstruktivistischen Betrachtungsweise auch im heilkundlichen Bereich bringt es mit sich, daß zunehmend Partner und Familien in den therapeutischen Prozeß mit einbezogen werden.
In Anlehnung an die systemische Familientherapie sollen hier Grundlagen für die Beratung von Familien in der heilkundlichen Praxis vermittelt werden.
Grundannahmen systemischer Beratung
Die systemische Sicht impliziert eine Umorientierung von der traditionellen linear-kausalen hin zu einer zirkulären Betrachtungsweise, bei der Menschen nicht so sehr als Individuen, sondern als Teile lebender sozialer Systeme verstanden werden, deren Interaktionen sich wechselseitig beeinflussen. Menschliches Erleben und Verhalten wird nicht in erster Linie durch intrapsychische Prozesse des Einzelnen bestimmt, sondern in hohem Maße beeinflußt durch zirkuläre Wechselwirkungsprozesse im Beziehungsgefüge des jeweiligen Umfelds, wobei jede Aktion eines Kommunikationspartners eine Reaktion des zweiten hervorruft, die ihrerseits gleichzeitig auch auf den ersten Kommunikationspartner zurückwirkt und den Reiz für sein folgendes Verhalten darstellt.
Bei einer solchen Betrachtungsweise gewinnen Rückkoppelungsphänomene gegenüber (linearen) Fragen nach Ursprung und Ziel von Interaktionen an Bedeutung.
In seiner Konsequenz führt dieser Standpunkt, der hervorgegangen ist aus der Kybernetik und Kommunikationsforschung, zu der Einsicht, daß jede Verhaltensform letztendlich nur in ihrem zwischenmenschlichen Kontext verstanden werden kann.
Als Folge dieses Prinzips der Rückkoppelung wird symptomatisches Verhalten im Gegensatz zur Sichtweise konventioneller Krankheitsmodelle hinsichtlich Ätiologie und Therapie nun vermehrt im zwischenmenschlichen Kontext, d.h. als Eigenschaft, als Teil eines Familiensystems betrachtet. So können Erlebnis- und Verhaltensweisen von Menschen, erscheinen sie an sich zunächst als unverständlich oder gar pathologisch, bezogen auf ihren relevanten Kontext als angemessen und klug verstanden werden.
Verhaltensweisen, auch jene, die oftmals in Form von Symptomen verschiedenster Art in Erscheinung treten, haben letztendlich oft die wichtige Funktion der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustands für das Gesamtsystem, der von Jackson als Familienhomöostase beschrieben wurde. Ohne Zweifel stellen Symptome Verhaltensformen dar, die eine nachhaltige Wirkung auf die menschliche Umgebung eines Patienten ausüben. Dabei können sie unter anderem dienlich sein zur Herstellung der Stabilität seines Bezugssystems, wenn diese durch äußere Einwirkungen oder Veränderungen innerhalb des Systems bedroht erscheint. Häufig wird beobachtet, daß das Auftreten von Symptomen zeitlich korreliert mit Ereignissen und Veränderungen im Familiensystem wie z.B. der Pubertät eines Kindes, der Pensionierung eines Familienmitgliedes etc. Ergeben sich starke intrafamiliäre Veränderungen, muß es sich erweisen, ob das System Familie flexibel genug ist, sich der neuen Situation anzupassen und seine Regeln entsprechend zu verändern. Watzlawik nennt diesen Vorgang `Neukalibrierung', eine Neuorientierung, des Systems, das sich auf veränderte Regeln des Zusammenlebens, der Kommunikation einstellt. Ist das System Familie nicht imstande, durch eine angemessene Änderung der Regeln seine Stabilität zu gewährleisten, ist die Gefahr groß, daß sich bei einzelnen Familienmitgliedern funktionelle somatische oder seelische Störungen herausbilden.
Faßt man ein Symptom als eine solche Anpassungsleistung eines Familiensystems auf, ergibt sich daraus, daß sowohl die Verschlechterungen als auch die Verbesserung des Zustands eines Familienmitglieds fast immer eine Rückwirkung auf das psychische, soziale oder physische Wohlbefinden der Angehörigen und letztlich des Familiensystems als solches hat.
Wer kennt nicht den Spruch: `Operation gelungen, Patient (Ehe, Familie) tot.
Diese Informationen und Veranstaltungshinweise
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