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Methoden und Grenzen der Augendiagnostik

Gedanken zu den Irispigmenten

I: drei Autointoxikationspigmente

von Piet van den Toorn

Von jeher haben sich die Augendiagnostiker für Farbeinlagerungen in der Iris interessiert. Ignaz von Péczely beschrieb l881 multiple Braunpigmente als Zeichen einer Belastung mit bestimmten Erbgiften (Psora). Im Kern war seine Vorstellung richtig: die Pigmenteinlagerungen sind häufig durch Vererbung bedingt.

Pastor Liljequist sah in den Farbveränderungen der Iris Hinweise auf extern zugeführte Gifte. Dabei dachte er besonders an Arzneigifte. Zu der Zeit wurden massive Dosen Arsen verordnet - gegen die Tuberkulose - sowie Quecksilber

- gegen die Syphilis -, Chinin - bei Fieber und Schwäche-, Strychnin, usw. Viele Menschen wurden dadurch geschädigt. Verständlich, dass Liljequist bestrebt war, die Arzneigifte in der Iris zu erkennen. Auch seine Vorstellung war vom Prinzip her richtig, auch wenn derartige Einlagerungen im Augenweiß besser zu erkennen sind als in der Iris. In der klinischen Literatur sind viele Arznei- und Giftstoffe beschrieben worden, die zu derlei Farbveränderungen führen können: bestimmte Antibiotika, Psychopharmaka, aber auch Chinone und Arsen.

Die nachfolgende Generation von Augendiagnostikern wurde am prominentesten von Pastor Felke vertreten. Felke unterschied bereits zwischen der physiologischen Grundfarbe der Iris und den pathologischen Fremdpigmenten. Er folgt sowohl den Ansichten von Péczely (Erbgifte), wie von Liljequist (Arzneigifte), betont aber als überzeugter Humoralpathologe die Selbstvergiftung des Körpers durch mangelhafte Ausscheidung von Stoffwechselprodukten über Niere und Darm (Autointoxikation).

In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts bemühten sich vor allem Josef Deck, Prof. Herget und Günther Jaroszyk eine Verbindung herzustellen zwischen Farbe und chemischer Beschaffenheit der Irispigmente. Es entstand in etwa folgende Einteilung:

Gelb Urorosein
Ockergelb Lipofuszin
Orange Lipochrome, Rufin
Orangebraun Tryptophan
Gelbbraun Bilifuszin
Rotbraun (Kopro-)Porphyrin
Dunkelbraun Melanin

In wie weit ist diese Einteilung wissenschaftlich gesichert? Trifft es zu, dass diese Pigmente in der Iris nachgewiesen sind? Beginnen wollen wir unsere Betrachtung mit den drei Autointoxikationspigmenten: Urorosein als Vertreter der Harngifte, Bilifuscin und Koproporphin als Substrate der Kotgifte.

Die humoralpathologische Annahme, dass eine mangelhafte Giftausscheidung über Leber, Nieren und Darm zu einer Autointoxikation des Körpers führt und zur Heilung diese Gifte ausgeleitet werden müssen, ist ein Grundprinzip der Naturheilkunde. Derartige Autointoxikationsprodukte finden wir bei den entsprechenden Krankheiten vermehrt im Blut, Stuhl und Urin; sie sind labormäßig objektiv nachweisbar. Wenn sich diese Stoffe im Blut befinden, gelangen sie auch in die Iris, die bekanntlich stark durchblutet wird. Die Frage ist jedoch, ob sich solcherlei Gifte auch in sichtbarer Weise in der Iris ablagern. Dazu schauen wir uns die genannten Stoffe genauer an:

Urorosein:

Vor allem aus der Aminosäure Tryptophan bilden sich beim Eiweißabbau im Darm die Giftstoffe Indol, Indoxyl und Skatol. Sie werden normalerweise mit dem Stuhl ausgeschieden; Skatol bedingt den typischen Kotgeruch. Bei vermehrter Eiweißfäulnis im Darm, oder bei verstärktem Abbau vom Körpereiweiß und bei einer Niereninsuffizienz gelangen diese Giftstoffe vermehrt in den Urin, wo sie durch Zugabe von konzentrierter Salzsäure als rosa Farbstoff nachzuweisen sind; Urorosein. Bereits 1882 beschrieben M. Nencki und N. Sieber diese Laborprobe und das Urorosein. Die im Urin vorkommenden Tryptophanderivate sind zunächst nicht sichtbar. Erst durch die Zugabe von Salzsäure entsteht die Brückenbildung und die rosa Farbe. (Schema 1). Dieses Urorosein kann als Laborprodukt nicht in der Iris vorkommen.

 

Schema 1: Aus Skatol und Indol bildet sich mit Salzsäure der Farbstoff Urorosein

Die normale gelbe Farbe des Harns wird zu 95 % durch UROCHROM A und B bestimmt. Es sind oxydierte Di-Pyrrole, Abbauprodukte aus dem Blutfarbstoff. Können dann diese gelben Urochrome in der Iris eingelagert werden? Theoretisch ja, denn diese Di-Pyrrole kommen im Blut vor. Die Iris enthält große und kleine Klumpenzellen. Sie liegen gehäuft im Bereich der Iriskrause - weniger in der Peripherie. Die großen Klumpenzellen sind verwandt mit den großen weißen Blutkörperchen (Makrophagen). Diese Zellen können alle Pigmente die im Blut vorkommen speichern. Klumpenzellen sind die zweite Sorte von Pigmentzellen in der Iris neben den Melanophoren (früher "Chromatophoren"). Somit ist es möglich, dass sich auch Harnfarbstoffe in der Iris einlagern.

Wie sieht es in der Praxis aus? Wenn wir in der Iris ein Gelbpigment rund um die Krause oder im Bereich des Nierensektors sehen und dazu Strukturzeichen auf dem Urogenitalsektor (Reizfaser, Defektzeichen, Lakunen, Krausenveränderungen im Sinne einer sog. Nierenbrücke), werden wir mit Sicherheit an die Nieren denken! Das Gleiche gilt aber auch für ein Braunpigment in Verbindung mit den entsprechenden Strukturzeichen.

Als Screeningmethode sind die Gelbpigmente nicht geeignet, weil wir diese Pigmente nur bei Patienten mit blauen Iriden erkennen können. Patienten mit echten Gelbpigmenten sind eher selten, Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen leider nicht. Relativ am häufigsten sehen wir die Gelbpigmente bei Jugendlichen, während die Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz, Uratdiathese oder chronische Nierenentzündung überwiegend älter sind.

Fazit: um Nierenerkrankungen zu diagnostizieren brauchen wir die Hinweise aus der Anamnese, aus der Augendiagnose und Pathophysiognomie, aus einfachen körperlichen Untersuchungen (Nierenlager klopfempfindlich? Ödeme? Hypertonie?), aus einer gründlichen Urinuntersuchung einschließlich Sediment, aus Blutuntersuchungen und wenn nötig weiteren Untersuchungen wie Ultraschalldiagnostik von einem Facharzt. Aus einem Gelbpigment allein kann keine Nierenkrankheit abgeleitet oder eine Therapie begründet werden.

Bilifuscin

Bilifuscin ist ein gelbbraunes Pigment, ein Abbauprodukt der Gallenfarbstoffe. Die normale Farbe des Stuhles wird überwiegend von Bilifuscin bestimmt. In dem Schema-2 können wir verfolgen, wie Bilifuscin aus dem Häm (Grundbaustein des Blutfarbstoffes) entsteht. Zunächst gibt das Häm sein zentrales Eisenatom ab und die 4 Pyrrolringe klappen auseinander, Biliverdin - der grünliche Gallenfarbstoff, ist entstanden. Ein paar zusätzliche Wasserstoffatome kommen hinzu, und schon wird aus dem grünlichen Biliverdin das gelbliche Bilirubin. "Rubinrot" nur bei bestimmten Laborreaktionen. Nach einigen Zwischenstufen entsteht daraus im Darm Urobilin. Ein Teil der Gallenfarbstoffe wird aus dem Darm rückresorbiert und wiederverwertet, bzw. über die Nieren ausgeschieden. Ein gewisser Gehalt an Gallenfarbstoffen im Blut ist normal, sie gelangen demnach auch ständig in den Bereich der Iris. Dennoch lagern sich diese lipophilen Substanzen offenbar nicht in sichtbarer Weise in der Iris ab, sonst würden wir das insbesondere bei Ikteruspatienten beobachten können. Beim Anstieg der Gallenfarbstoffe im Blut erkennt man die Ablagerung in der Haut und besonders auch im Augenweiß. Wird die Grundkrankheit überwunden, verschwinden diese Farbstoffe relativ rasch wieder aus dem Augenbereich; sie sind stoffwechselaktiv.

Und wie entsteht Bilifuscin, das in der Iris für die gelbbraunen Pigmente verantwortlich sein soll? Es ist ein Abbauprodukt von Bilirubin im Darm; "ein halbes Bilirubin". Zunächst entsteht das farblose Bilileukan. Dann schnappen sich die Darmbakterien noch ein Sauerstoffatom und es entsteht das gelbbraune Bilifuscin. (lat. fuscus = in etwa gelbbraun). Kleine Mengen dieses Stoffes sind immer im Blut nachweisbar. Beim vermehrten Blutabbau, bei einem Ikterus und bei einer Stuhlverstopfung nimmt der Bilifuscingehalt im Blut zu.

Soweit ist alles nachweisbar. Lagert sich dieses Pigment auch in sichtbarer Weise in der Iris ab? Dann müssten diese gelbbraunen Pigmente sehr häufig vorkommen, denn Patienten mit einer chronischen Obstipation und geschädigter Entgiftungsfunktion der Leber sind nicht selten. Zwar finden wir bei den chronisch Leberkranken häufiger braune bis dunkelbraune Irispigmente; diese gehören jedoch zu den Melaninpigmenten. Für Bilifuscin als Irispigment gilt das Gleiche wie für Urochrom: theoretisch nicht unmöglich, aber aus der Praxiserfahrung heraus sehr unwahrscheinlich.

Der Begriff "Fuscin" steht nicht für eine bestimmte chemische Verbindung, sondern für einen Farbton. Deshalb gibt es weitere Fuscine, die nicht vom Bilirubin abstammen, hier aber mitbesprochen werden, gerade um den Unterschied klarzustellen. Auch sie spielen bei der Augendiagnose eine Rolle.

Hämofuscin ist ein gelbbraunes bis braunes Pigment; es stammt wie der Name schon andeutet direkt aus dem Häm. Es kann z. B. im Augenweiß sichtbar werden, wenn es bei einer Viruskonjunktivitis oder wenn es bei anderen Gefäßschädigungen zu partiellen kleinen Blutaustritten aus den Konjunktivalgefäßen kommt. Aus dem abgelagerten Hämoglobin wird Hämosiderin (noch eisenhaltig). Daraus entsteht durch Eisenrückresorption das schlecht abbaubare Hämofuscin. Braunpigmente im Augenweiß sind zwar am häufigsten Melanine, können aber auch Hämofuscine sein, vor allem wenn sie mehr zart gelbbraun um Kapillarbäumchen liegen. Lipofuscin ist ein völlig anderer Stoff. Wir dürfen niemals von "den Fuscinen" als einer einheitlichen Gruppe sprechen. Lipofuscine entstehen aus dem Fettstoffwechsel der Zellen. In jeder Körperzelle können (wiederum gelbbraune) Lipofuscingranula entstehen, wenn die energieaufwendigen Stoffwechselvorgänge im Bereich der Lipoproteine nicht mehr voll aufrecht erhalten werden. Bereits 1910 beschrieb Aschoff dieses Pigment als Alters- und Abnützungspigment. Vor allem bei älteren Menschen und bei Organatrophien sah er es bei der Sektion im Bereich der Leber, des Herzmuskels und des Gehirnes. Kommt es im Alter zu diffusen Farbeinlagerungen in der Iris, so kann es sich um Lipofuscine handeln. Eher werden wir diese Pigmente allerdings im Augenweiß entdecken, wenn sich im Bereich eines sog. Lipoidhügels gelbliche bis bräunliche Farbtöne einmischen, welche nicht (wie die stoffwechselaktiven Gallenfarbstoffe) in der Intensität schwanken oder wieder verschwinden. Bei feineren Gelbtönen können sich aus der Nahrung stammende Lipochrome (Fettfarbstoffe) eingelagert haben, oder einfach elastische und kollagene Fasern degeneriert sein (Arthrose-Hinweis).

Die Anwesenheit von Lipofuscine im Auge ist wissenschaftlich nachgewiesen. Zwar noch nicht in der Iris oder im Augenweiß, sondern in der Pigmentschicht der Netzhaut. Die dort liegenden Pigmentzellen phagozytieren fleißig Lipoproteine. Im Alter lässt diese Stoffwechselaktivität nach und es häufen sich Lipofuscingranula an. Gleichzeitig nimmt die Zahl an Photorezeptoren in der Netzhaut ab: Nachlassen der Sehkraft im Alter; Netzhautdegeneration.

Die Materie der Körperpigmente ist nicht einfach. Aber wir haben beginnend mit Josef Deck, diese Begriffe für die Irispigmente übernommen und sollten deshalb wissen, was damit gemeint ist. Nebenbei lernen wir so einiges über die Stoffwechselvorgänge im Körper. Als letztes Pigment, das als Autointoxikationsindikator genannt wird, folgt das

Koproporphyrin.

Kopro bedeutet Kot und Porphine sind die Gebilde aus vier Pyrrolringen, wie beim Häm ohne zentrales Eisenatom. Der Name sagt aus, dass es sich hier wieder um ein Abbauprodukt des Häm handelt, das im Stuhl erscheint. Josef Deck spricht nicht nur von Koproporphyrin, sondern auch von anderen Porphyrinen; es sind überwiegend rotbraune Pigmente, die im UV-Licht fluoreszieren. Er beschreibt diese Pigmente bei einer exkretorischen Pankreasinsuffizienz mit Leberinsuffizienz. Auch bei einem Fall von Sigma-Ca spricht er von Kopraporphyrin. Rotbraune Irispigmente standen bereits bei Kabisch und Schnabel in dem Ruf eine maligne Tendenz zu signalisieren.

Sind die rotbraunen Pigmente in der Iris Koproporphyrine oder sonstige Porphyrine? Koproporphyrin ist nicht nur im Kot zu finden, wie der Name suggeriert. Zwar fand man diesen Stoff zuerst im Stuhl. Später stellte sich jedoch heraus, dass Koproporphyrin III und Uroporphyrin III auch die wichtigsten Aufbaustufen für das Häm darstellen. Man hätte diese Stoffe auch "Blutaufbau-Porphyrine" nennen können. Wenn sich dieses Molekül in der Iris ablagern würde, hatten wir wohl alle Porphyrinpigmente. Ganz besonders müsste das aber gelten für Menschen mit einer krankhaft gesteigerten Porphyrinproduktion:

Porphyrie

Bei einer seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankung mangelt es an dem Enzym Ferrochelatase für den Eiseneinbau in dem Häm, oder die Porphyrinmoleküle werden mit winzigen Fehlern zusammengebaut. Weil das Häm lebenswichtig ist, versucht der Körper durch eine gesteigerte Porphyrinproduktion diese Störung auszugleichen. Die überschüssigen Porphyrinen werden mit dem Stuhl und im Urin ausgeschieden. Der Urin hat Rotweinfarbe oder verfärbt sich beim einfachen Stehenlassen rötlich. Die überschüssigen Porphyrine werden auch in der Haut und im Knorpel- und Knochengewebe abgelagert. Die Zähne können rosa werden. Porphyrine reagieren mit dem UV-Licht der Sonne, wodurch vermehrt zellmembran-schädigende Sauerstoffradikale gebildet werden. Die betroffenen Kinder bekommen sonnenbrandähnliche Hautveränderungen bis hin zu Hautgeschwüren; sogar Nasen-, Ohren- und Handknorpel können verkümmern. Sie dürfen sich nur nachts draußen aufhalten.

Etwas weniger selten ist die hepatische Porphyrie, welche erst nach dem 15.-20. Lebensjahr auftritt. Bei einer Leberschädigung durch Medikamente (Sulfonamide), Alkohol, oder bestimmten Umweltgiften und bei einer (nicht dominant) vererbten Neigung zu dieser Erkrankung kommt es chronisch oder akut-intermittierend zum Anstieg der Porphyrine mit Bauchkoliken, Blutdruckanstieg und psychischen Veränderungen. Auffallend ist diedunkelbraune Färbung der Haut im Gesicht und Dekolleté, wobei die Skleren weiß bleiben.

Fazit:

Die Bedeutung der Autointoxikation für die Gesundheit steht außer Frage. Zweifel bestehen, ob Urorosein, Bilifuscin und Koproporphyrin als Pigmenteinlagerung in der Iris sichtbar werden. Dagegen sind Lipofuscine in der Netzhaut nachgewiesen und Hämofuscine im Augenweiß wahrscheinlich. In der nächsten Fortsetzung werden wir uns mit den Lipochromen und Melaninen befassen.


Anschrift des Verfassers:
Piet van den Toorn
Heilpraktiker
Karlstr. 17
72764 Reutlingen





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