Die Biene und die Naturheilkunde
I.
Betrachten wir zunächst was Bienen uns "liefern" - was wir ihnen wegnehmen besser gesagt:
Honig
Pollen
Propolis
Gelée royal
Honig, wohl das wichtigste von diesen Produkten seit Jahrtausenden, als Nahrungs- und Süßungsmittel in einer Art Monopolstellung, ehe das Zuckerrohr nach Europa kam oder Zucker aus Zuckerrüben industriell gewonnen werden konnte.
Pollen, die männlichen Keimzellen von Blütenpflanzen, welche die "Arbeitsbienen" an die sog. Höschen streifen und zur Brutaufzucht eintragen, wird erst in den letzten Jahrzehnten in einem größeren Umfang als Gesundheitsprodukt verwendet.
Propolis, das Kittharz, welches die Bienen sammeln zur Verkittung ihrer Behausung (Wärmeschutz), zur Desinfektion und Einschließung bakteriell gefährlicher Stoffe. Dieses ist offenbar in Russland und anderen östlichen Ländern schon länger zu Heilzwecken bekannt, bei uns kam es erst die letzten Jahre in einem größeren Umfang besonders äußerlich zum Einsatz. Aber auch innerlich angewendet (Mundhöhle, Nasennebenhöhlen) scheint es eine dem Menschen nützliche Substanz.
Gelée royal, der Königinnenfuttersaft, ist vielleicht der Stoff, bei dem Mythos und realer Wert (jetzt natürlich nur auf die Heilkunde bezogen - für die Bienen ist seine Bedeutung ohne jeden Zweifel essentiell!) noch nicht auseinander gehalten werden können. Jedenfalls kam in den fünfziger Jahren, diesmal aus Frankreich, dieser Stoff auf den Markt, teilweise als Wundermittel angepriesen (wie zugleich die Ginsengwurzel, die inzwischen zu einem realistisch werteten Phytotherapeutikum sich "geläutert" hat).
II.
In der Heilkunde ist schließlich Apis mellifica, die ganze zerriebene Honigbiene in Tabletten, Dilutionen und Ampullen nach dem HAB üblich und gebräuchlich (D3, D4, D6). Aber auch Apisinum, das reine Bienengift, wird in der Homöopathie gegeben, D4 - D6 in Tablettenform, Dil. ab D8 - ebenso Ampullen in dieser Potenzierung. Das Arzneimittelbild entspricht dabei ziemlich genau den Symptomen eines Bienenstichs: brennender Schmerz, eine aufschießende, meist rote Quaddel mit weißem Zentrum und den sich anschließenden typischen Entzündungszeichen Rubor, Dolor, Calor und lokales Ödem. Überhaupt scheint das entzündliche Ödem ein Hauptansatz für den therapeutischen Einsatz von Apis zu sein.
III.
Von wirtschaftlicher Bedeutung aus dem Bienenstock ist das Wachs. Lange bevor es Paraffin und Ähnliches gab, lange ehe Bienenwachskerzen zum romantischen Geschenkartikel wurden, waren Wachskerzen eine Notwendigkeit und der Beruf des Wachsziehers war in einer Zunft vereint. Man kann sich im Zeitalter der Kunst- und Synthetikstoffe kaum mehr vorstellen, wie kostbar Wachs über Jahrhunderte war. Aber Duft und Symbol von brennenden Bienenwachskerzen sind auch heute noch etwas Besonderes.
IV.
Lässt man die Anthropozentrik, jenes Denken, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, so kommt man auf die wahrscheinlich bedeutendsten "Nutzen" der Bienen: den ökologischen. Mit anderen Insekten zusammen obliegt ihnen in der Natur die Blütenbestäubung. Nur um ein Beispiel zu geben: Getreide wird durch den Wind bestäubt, der transportiert die Pollen. Bei den höchstentwickeltsten Gewächsen; den Blütenpflanzen, geschieht dies durch die Insekten - und evolutionär dürfte die Ausfaltung synchron gegangen sein: die Pflanzen und die Bienen sind wechselseitig aufeinander angewiesen, Ernährung und Befruchtung gehen sozusagen Hand in Hand.
V.
Gehen wir einen Schritt an den Anfang zurück: Zu jenen Stoffen, die in der Heilkunde eingesetzt werden, und betrachten uns die Inhaltsstoffe. Wobei nur die wichtigsten, und dies pauschal, genannt sein sollen und jene unterstrichen sind, die wohl die jeweils wichtigsten sind:
Honig: diverse Zucker, Vitamine, Enzyme, Mineralien
Pollen: Flavone, Vitamine, Enzyme, Mineralien
Propolis: Harz, "antibiotische" Substanzen, ätherische Öle, Vitamine, Enzyme Mineralien
Gelée Royal: essentielle Aminosäuren, Vitamine, Mineralien
Über alle diese Stoffe gibt es eine große Anzahl von Einzeluntersuchungen und es ist nicht meine Absicht, diese zu wiederholen; auch bietet sich für den weiter Interessierten eine Fülle von Literatur - einen Bruchteil führe ich am Schluss auf. Es geht mir vielmehr bei dieser Betrachtung vorwiegend darum, meine persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen wiederzugeben, auch schwerpunktmäßig und möglichst frei von Mythos, Reklame und Indikationslyrik eine Bewertung zu geben. Ich will nicht Fakten abschreiben, die bereits gründlich dargelegt sind.
VI.
Der Honig. Was ist Honig? Trocken gesagt: jener "süße Stoff, den die Bienen erzeugen, indem sie Nektarsäfte oder auch andere, an lebenden Pflanzenteilen sich vorfindende süße Säfte aufnehmen, durch körpereigene Stoffe bereichern, in ihrem Körper verändern, mit Körpersäften bereichern, in Waben speichern und dort reifen lassen" (Lebensmittelgesetz). Inzwischen wissen wir Verbraucher, dass es in diesem Gesetzeswerk viele Lücken und Spielraum zu Interpretationen gibt. Mein Vater, der Imker, sagte oft:
"Nirgendwo wird so viel geschwindelt wie bei Öl, Wein und Honig".
Wie recht er bereits vor über 50 Jahren mit dieser Behauptung hatte, erlebte ich als Bub, nachdem in und nach den Jahren des 2. Weltkrieges auch die Imker (wie die Bauern) einen Teil ihrer Erträge zur Notversorgung "abliefern" mussten. In den bitteren Jahren 1945 - 1948 war mein Vater, als nationalsozialistisch nicht belastet, wider Willen Vorstand des Bienenzuchtvereins und alle Imker mussten bei uns ihren Teil Honig abgeben, der dann, staatlich kontrolliert, weitergeleitet wurde. Ich sehe noch heute das Entsetzen meines Vaters über das unsaubere Arbeiten einiger Bienenzüchter: Wabenreste und andere Verunreinigungen genug! Aber auch - und das ist bis heute ein wichtiges Kriterium: Der Imker kann Zucker füttern und dann schleudern - so hat man ein etwas verbessertes Zuckerwasser aber keinen "echten Bienenhonig". (Über diesen Begriff haben wir uns oft lustig gemacht: weil es zum einen keinen falschen Honig und zum anderen keinen Bienenhonig gibt, Honig muss genügen, weil Honig von Bienen sein muss!) Dies ist also eine Möglichkeit, die Qualität eines Honigs herabzusetzen, das ist bis heute so. Und etwas anderes, wichtiges: erhitzt gewonnener Honig, also nicht unter normalen Temperaturen geschleuderter Honig, wobei die Waben erwärmt und Honig dann davon abgeschieden wird, hat ebenfalls eine Wertminderung. Enzymatische Stoffe verlieren ihren Wert schon wesentlich bei über 40°C, jeder mit höheren Temperaturen behandelte Honig leidet darunter. Nun muss man leider sagen, dass hiervon vielfach Importhonige betroffen sind: längst nicht wird in allen Ländern wie in der Bundesrepublik Wabenbau betrieben, die in Rahmen befindlichen Honigwaben dann in eine Schleuder gestellt und durch beschleunigtes Drehen herausgelöst; die Waben bleiben zur Wiederverwendung unversehrt.
Nur korrekt gewonnener Honig enthält die vollen Fermente, das Biotin (Vit. H), Vitamin K, aber auch C; Inhibine stören Bakterien am Wachstum, Azetylcholin regt bei der Wundheilung den Mikrokreislauf an, Wachstumshormone fachen den Wundheilungsprozess an. Von den Fermenten wäre die Glukose-Oxydase herauszuheben. Spurenelemente, Eisen, Kupfer, Mangan und Silizium tun ihr übriges im biochemischen Zellprozess. So ist Honig seit alters her äußerlich ein Wundheilmittel. Der Zahnarzt Dr. med. dent. Werner Becker (Köln) lobt ihn bei Parodontose:
"In der Parodontose-Behandlung bewährt sich als heilunterstützende Maßnahme die morgendliche Gabe eines Teelöffels Honig, der, einige Minuten im Mund verbleibt, ehe er heruntergeschluckt wird. Nach normaler Zahnreinigung und sachgemäßer Konkremententfernung sollte ein Teelöffel Honig für einige Minuten im Mund bleiben ehe er heruntergeschluckt wird. Da die Grenzflächen zu den Zähnen durch diese Reinigungsmaßnahmen als kleine Wunden zu gelten haben, entsteht entsprechendes Wundsekret, welches im Normalfall als Heilhindernis zu bezeichnen ist, weil es die natürlichen Enzyme zur Schleimhautwundheilung nur erschwert zur Wirkung kommen lässt. Der Honig vermehrt die Bildung des heilenden Glutathions in den Wunden und führt zu einer Vernarbung, die den Randschluss um den Zahn verstärkt." (Zitatende)
Honig ist ein Zuckergemisch aus ungefähr 40 % Frucht-, ca. 30 % Trauben- und 1,5 % Rohrzucker, Maltose etwa 7 %. Der Wasseranteil darf nicht zu hoch sein, sonst gärt er (aber dann ist er bereits fragwürdig). Freilich gibt es auch Einwände: wenn man die Zähne nicht putzt, fördert er als "Säure" sicher die Karies. Und Vorbehalte sind auch zu machen, dass er als schneller Energielieferant die Blutzuckerregulation stören kann (ähnlich wie wir dies bei Traubenzuckergaben haben). Doch sind auf Grund dessen, dass Honig ein Integral ist - was man von sog. weißem Zucker nicht sagen kann - seine Vorteile diesem gegenüber offensichtlich. In der Assistenz im Kneipp-Sanatorium Dr. med. Karl Schöner hatte ich dann auch Gelegenheit, intravenöse Honiggaben zu verabreichen und konnte sehen, wie dies besonders bettlägerigen Herzkranken gut tat. (Es waren seinerzeit - vor 40 Jahren - Ampullen von Woelm-Pharma im Handel. Diese finden sich nicht mehr in der Roten Liste. Wohl aber verschiedene Glukose-Trauben-Zucker-Infusionslösungen zur parenteralen konzentrierten Ernährung.)
Ja, da wäre Vieles zu sagen - z.B. auch über Schadstoffe im Honig. Die einschlägigen Untersuchungen sind hier nicht besorgniserregend. Das hat einen handfesten Grund, den ich drastisch in den 50er-Jahren miterlebte: das war die "Hoch-Zeit des Spritzens" in der Landwirtschaft. Man muss aus heutiger Sicht sagen, dass die ersten Generationen von Herbaziden und Insektiziden brutal waren: die Bienen gingen zu Abertausenden zugrunde, erreichten nach ihren Ausflügen gerade noch das Bienenhaus und fielen tot herunter. Meinen Vater habe ich kaum so niedergeschlagen erlebt wie damals, als wir mit der Kehrschaufel die toten Bienen zusammenfegten. (Sein Bruder, mit 300 Bienenstöcken einer der größten bayerischen Imkermeister am Ammersee, kam in Existenzschwierigkeiten und konnte diese katastrophalen Jahren nur durch Königinnenzuchtversand und Gelée-royal-Gewinnung überstehen.) Dies hat sich verbessert, ohne Zweifel - aber, dass ich es kläre: ehe die Spritzgifte in den Honig gelangen, stirbt meistens die Biene! *
* Doch - wie meistens - gibt es auch hier Ausnahmen von der Regel: bereits
im Altertum wusste man von einem "Gifthonig" zu berichten: In Portugal,
Kleinasien und im Kaukasus gibt es eine Rhododendron-Art (Gattung: Alpenrosen,
Familie: Heidekrautgewächse), die ein giftiges Diterpen (Andromedotoxin) absondert,
das auch im Nektar der Blüten auftritt. Den Bienen schadet es offenbar nicht.
Bei den Beratungen über eine phytotherapeutische Indikation in der Kommission
E beim damaligen BGA in Berlin erhielt Rhododendrum ferrugineum Linne eine
Negativ-Monografie. Die Blätter der rostroten Alpenrose wurden - zwar nicht
umfangreich - als Anti-Rheumatikum benutzt, auch als Adjuvans bei Hypertonie.
Die in der Monografie (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 164 vom 1.9.1990)
angeführten Risiken seien, soweit sie unser Thema berühren, zitiert: "Beim
Menschen wurden u.a. nach Genuss von grayanotoxinhaltigem Honig die folgenden
Vergiftungssymptome beobachtet: Erbrechen, Durchfall, Schmerzen und Krämpfe
im Magen-Darm-Bereich, Gliederschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, Atemnot,
zentrale Erregungszustände, Lähmungen sowie Brennen und Juckreiz auf Haut
und Schleimhäuten."
Die Frage nun, wo bekomme ich anständig gewonnenen, guten Honig und welche
Kriterien schützen mich vor Unklarheiten und Betrug, ist ebenso schwer zu
beantworten wie bei Wein und Öl: Es ist Vertrauenssache. Der Imkerbund gibt
Gläser und Etiketten an seine Imker; eine gewisse Gewähr. Aber Begriffe wie
"Natur", "naturrein", "echt" - das kann man
heute vergessen, wo Marketing-Schlaumeier an allen diesen Begriffen herumpfuschen!
Auch ist nicht jeder ausländische Honig per se zweitklassig. Dass außer dem
Waldhonig (dunkel!) Honig kandiert, ist in Ordnung, aber auch kein sicheres
Garantiezeichen: obwohl ständig flüssig bleibender heller Honig skeptisch
machen muss (erhitzt gewonnen oder beim Abfüllen erhitzt? - zu viel Futterzuckeranteil
oder Wasser?). Es tut mir Leid: der Imker oder der Handel muss vertrauenswürdig
sein, sonst ist der Laie hilflos. Mein Vater war auch erbost über einige Qualitäten,
die in Reform- und Naturkostläden vielversprechend angepriesen werden: Man
muss auch die Etiketten genau lesen.
In Bayern haben wir den hellen Raps- und Löwenzahnhonig, Kleehonig allenfalls. Ansonsten die gelblich-dunkleren Blütenmischhonige und den sehr geruch- und geschmacksintensiven Bärenklauhonig. Diese werden nach kurzer Zeit fest (kandieren) - nicht so der nicht jedes Jahr zu gewinnende Waldhonig (Fichten, Tannen). Wie letzter "entsteht", nämlich dass die Bienen eine Nadelholzlaus "berauben" - ohne sie übrigens zu gefährden - wäre ein spezielles Kapitel!
Skepsis ist auch angezeigt bei sog. einheimischen Spezialhonigen (Akazien, Linden etc.) - die gibt es hier nur ganz selten.
So viele Linden-Alleen gibt es nicht mehr und Akazienwälder in Sizilien oder Griechenland, ja, aber in Deutschland? Lavendelhonig aus der Provence, ja, sehr gut, und Heidehonig aus der Lüneburger Gegend: das kann alles in Ordnung sein.
Honigwasser, warme Milch mit Honig, Butter-Honig-Brot, Lebkuchen mit Honig gebacken: meine Kindheit ist ohne dies alles nicht vorstellbar. Natürlich der besondere Geruch im Haus sommers und auch winters, wenn Wachs ausgelassen wurde, aus alten Waben neue gepresst wurden; das waren, wie beim Schleudern, aufregende Tage, wo ich meinen Eltern mit Eifer zur Hand ging - und mein Vater später nicht ohne weiteres verstehen konnte, warum ich einen anderen Beruf ergriff!
VII.
Pollen ist heute bei der enormen Zunahme der Pollinose, der Pollenallergie, eine für Viele schreckliche Substanz. Geht es doch zeitig im Frühjahr los, dass die Nasenschleimhäute anschwellen, die Konjunktiven jucken und brennen - und es muss durchaus nicht der Heumonat Juni dazu kommen.
Pollenkörner sind die männlichen Fortpflanzungszellen der samenbildenden Pflanzen. Nach Übertragung auf eine (weibliche) Narbe (Blütenstängel) bzw. auf die nackte Samenanlage der Nacktsamer erfolgt die Befruchtung und damit die Ausbildung zu generativen Samen - die wiederum eine neue Pflanze hervorbringen können.
Die Insekten sind hierbei für viele Pflanzen (insbesondere Blütenpflanzen) von existentieller Bedeutung. Obstbauern beispielsweise erfahren es schmerzlich, dass, wenn es zur Blütezeit dauernd regnet und die Bienen ihre "Arbeit" nicht verrichten können, der Ertrag geschmälert ist. Dass dieser Vorgang der Bestäubung auch den Bienen nützt, d.h. Blütenpflanzen und Bienen in einer Symbiose leben, ist offenkundig.
Ich kann mich aus meiner Jugendzeit nicht erinnern, dass bei den Imkern der Pollen außer für die Bienen selbst eine Rolle gespielt hätte. Man aß ihn früher nicht - umso mehr war man besorgt, dass beispielsweise die Weidenkätzchen als erste Bienennahrung nicht zu viel für den Palmweih-Brauch an Ostern abgerissen wurden. Mein Vater pflanzte immer wieder Weidenarten - was nicht schwierig ist, weil meistens jede frische Weidenrute, in die Erde gesteckt, anwächst. Es ist also Naturschutz in erweitertem Sinn, die Weiden (Salweide beispielsweise) auf Böden, die einigermaßen Feuchtigkeit haben (Bach- und Fluss-Begleitung), immer wieder zu erneuern.
Pollen sind für die Brut lebenswichtig, insofern darf mittels Pollenfallen nur sehr dosiert weggenommen werden (durch diese werden die gelb-orangen "Höschen" von den Hinterbeinen abgesteift). Die Bienenlarven vervielfachen sich mit Pollenfutter innerhalb von sechs Tagen um das 1500fache.
Nun neigen wir häufig zu simplen Schlüssen - und da habe ich dann Zweifel an der reklamehaften Übertragung: was gut ist für die Bienen, muss gut für den Menschen sein. Von "Ursubstanz des Lebens", "Zündstoff für den Organismus", "Krönung der Möglichkeiten in der Medizin" ist die Rede. Ohne Zweifel sind die Farbstoffe der Pollen ebenso wertvoll wie die Vielfalt der Aminosäuren und die Nahrungsergänzung, am besten zusammen mit Honig. Schließlich hat sich diese Erkenntnis auch in einer Monografie der E-Kommission (Phytotherapie) beim damaligen Bundesgesundheitsamt in Berlin niedergeschlagen; sie soll im Wortlaut wiedergegeben werden (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 11 vom 17.1.1991):
Bezeichnung des Arzneimittels:
Pollen
Bestandteile des Arzneimittels:
Rohpollen verschiedener Blütenpflanzen sowie deren Zubereitung in wirksamer
Dosierung.
Anwendungsgebiete:
Als Roborans zur Kräftigung bei Schwächezuständen, Appetitlosigkeit.
Gegenanzeigen:
Pollenallergie
Nebenwirkungen: Selten Magen-Darm-Beschwerden
Wechselwirkung mit
anderen Mitteln:
Keine bekannt
Dosierung:
Soweit nicht anders verordnet:
Tagesdosierung: 30-40g; Zubereitung entsprechend.
Mikronisierter Pollen ( > 10 mm): 3-4 g; Zubereitung entsprechend.
Art der Anwendung:
Pollen sowie andere Darreichungsformen zum Einnehmen.
Wirkungen:
Appetitanregend
In der Roten Liste 1998 sind von der Strathmann-Pharma Berlin zwei Pollenpräparate
verzeichnet: CerniltonŽ und PolistimolŽ, ersteres ausgewiesen als Trocken-Pollen-Extrakt,
das zweite als "Extraktgemisch aus Gräserpollen von Roggen, Timothy-Gras,
Mais". Die Indikation ist mit "Miktionsbeschwerden bei gutartiger
Prostatahyperplasie Stadium I - II" monografiegerecht angegeben und zumindest
habe ich mit CerniltonŽ-Kapseln gute Erfahrungen (das Präparat hat eine Zulassung,
also erstattungsfähig). Selbstverständlich gibt es eine Anzahl von Pollenpräparaten,
die ich nicht alle aufführen kann. (Das Pollen-Präparat von der Fa. Alsistan
in Greifenberg/Obb. zur Behandlung der Pollinose sei noch erwähnt). Nun scheint
es nicht ohne weiteres sinnvoll, die Rohpollen so wie sie sind, einzunehmen.
Sie müssen aufgeschlossen werden, um vom menschlichen Organismus in vollem
Umfang verwertet werden zu können. Zitiere ich der Einfachheit hier aus einer
Broschüre der Firma St. Johanser in Gauting bei München, die das recht beliebte
MatricellŽ herstellt (Trinkampullen, die Gelee royal, Propolis, Pollen und
Honig enthalten):
"Wie bei Honig, gibt es auch bei Blütenpollen sehr große Unterschiede in der Zusammensetzung und damit in der Qualität. Eine gute Pollenmischung muss recht "bunt" sein. Das bedeutet, die Farben sind fast nicht mehr zählbar und reichen von gelb über violett bis tiefschwarz. Je bunter also die Mischung, desto größer und sicherer ist auch die biologisch-funktionelle Breitenwirkung auf die Gesundheit. Kauen und Verspeicheln ist der wichtigste Vorgang bei der Nahrungsaufnahme. Blütenpollen bestehen nur aus ernährungsphysiologischen Stoffen und müssen daher immer verspeichelt werden. Nur somit ist die Entstehung der diätetischen Wirkung und ihre Verstärkung gewährleistet. Man sollte deshalb Blütenpollen nicht in Kapseln schlucken, die normalerweise nur für solche Arzneimittel vorgesehen sind, die erst im Magen oder Darm Verwendung finden sollen. Wenn wir alle unsere Lebensmittel verkapselt "einnehmen" würden, würden sich sehr schnell massive Mangelerscheinungen einstellen. Nun ist gutes und langes Verspeicheln von Pollen nicht jedermanns Geschmack. Vor zehn Jahren haben wir - wohl als einziger Hersteller - ein besonderes Verfahren entwickelt, das eine überaus angenehme Darreichungsform ermöglicht: Blütenpollen als Flüssigkeitsextrakt in konzentrierter Form." (Zitatende) Schließlich möchte ich meine Begeisterung wiedergeben, was die Pollenmikroskopie betrifft. Während meiner Studienzeit habe ich mich intensiv damit beschäftigt und bin von der Vielfalt der Phaenomenologie (Morphologie) auch auf diesem Teilbereich fasziniert! Wer die stacheligen Löwenzahnpollen, die zusammengesetzte Form solcher von Weiden oder die Trimetrie, die Dreiteiligkeit jener von Birnen und Äpfeln gesehen hat, wird es verstehen. Dabei ist die Angelegenheit nicht schwierig: Honig-Pollenanalyse: mehrere Proben entnehmen, in ein 250ml-Glas füllen, verdünnen mit Aqua dest. 2:1 Honig. Zentrifugieren; stecknadelgroßes Klümpchen herausholen, mit 1 Tropfen Wasser vermischen und Ausstichpräparat herstellen. (Platinöse oder Glasstab). Bedecken evtl. mit mehreren Deckgläschen.- Pollenkorn unter dem Mikroskop "optisch abtasten"!
Mittels Öldispersions-Mikroskopie mit jedem einfachen Mikroskop, wie wir es für Blut- und Harnsediment-Analyse haben durchzuführen!
VIII.
Propolis kenne ich zunächst
nur als eine lästige Sache: Im Bienenhaus musste mit Zeitaufwand das Kittharz
von den in Holzrahmen gefassten Wachswaben immer wieder entfernt werden. Dabei
ging ich dem Vater mit Hilfe eines Stemmeisens oder eines scharfen Schabers
zur Hand - und es geht mir, wie es einem mit Gerüchen geht: wenn ich Propolis
als Tinktur oder Salbe rieche, kommt ganz stark und unvermittelt die Kindheit
ins Bewusstsein. Als Heilmittel dann lernte ich es erst über Josef Angerer
kennen (Die Imker kannten es damals nicht und warfen es weg!). Er machte anscheinend
schon während des Krieges als Sanitäter in Rußland damit Bekanntschaft und
verwendetete es bereits in den fünfziger Jahren bei Nasennebenhöhlenaffektionen.
Propolis ist - um kurz wahrscheinlich Bekanntes zu wiederholen - ein von den Bienen eingetragenes und durch körpereigene Zutaten verarbeitetes Kittharz. Den Rohstoff holen die Bienen sich als Harze von Nadelbäumen, aber auch von Birken, Erlen und Pappeln (Knospen!). Beispielsweise kennt jeder - neben dem Harz der Nadelbäume natürlich -, wie klebrig sich Pappelknospen anfühlen. Nicht zuletzt haben diese wertvollen Inhaltsstoffe des Konglomerats "Harz" (äth. Öle, Flavonoide, Phenolglykoside) zu einer Monographie von Populi gemma der Phytotherapie-Kommission bei BfArM (früher BGA) geführt: "Oberflächliche Hautverletzungen; äußere Hämorrhoiden, Frostbeulen und Sonnenbrand" als Anwendungsgebiet.
Das Harz wird wie die Blütenpollen an den Hinterbeinen von den Bienen gesammelt und eingeflogen und weiterverarbeitet. Schließlich wird so die Propolis zu einer desinfizierenden, quasi antibiotischen braunen harten Masse.
Zusammengefasst kann man sagen: Für die Bienen ist es wichtig: "pro polis", d.h. "für das Volk" (griechisch) in zweifacher Hinsicht: sie dichten ihren Stock ab, zugige Stellen (sie würden sonst den Winter nicht überleben); aber die desinfizierende Masse ist auch notwendig zum Einkapseln "unbiologischer" Stoffe, die bakteriell das Volk verseuchen würden. (So wurde beobachtet, dass selbst eine Spitzmaus, die in einen Bienenstock eindrang, nach dem Tod völlig in das Kittharz eingekapselt wird.)
Propolis wirkt bakteriostatisch und bakteriozid, fungizid und auch anästhesierend, entzündungshemmend, äußerlich und innerlich. Eine Anzahl von Salben kann als Wundmittel dazu Verwendung finden und auch Tinkturen gibt es (Mundhöhle, Zahnfleisch).
Der Zahnarzt Dr. W. Becker
sagt beispielsweise:
"Eine nicht zu überbietende Einsatzmöglichkeit, was die positive Erfolgsquote
betrifft, ist der Einsatz von Propolispräparaten bei der Caries profunda und
der offenen Pulpa. Die direkte Applikation eines Propolis-Eugenol-Zinkoxid-Präparates
in den tiefzerstörten Zahn, erhält dessen Vitalität und hat bisher bei mir
nur in einem Fall zum Absterben der Pulpa geführt."
Persönliche Erfahrungen habe ich mit den Propolispräparaten der Firma Hanosan (darunter sind auch homöopathische Potenzen bis zur D12, welche die Firma herstellt). Intensiv ist die Propolis-Urtinktur mit der ich äußerlich angewendet die meisten Erfahrungen sammeln konnte. Bemerkenswert erscheint die D2 bei Darmmykosen. Sehr gut ist auch die Salbe der Firma St. Johanser (in dessen MatrizellŽ u.a. Propolis ad usum interum enthalten ist).
(Es gibt natürlich noch andere Präparate - ich möchte aber nur das nennen, was ich näher kenne).
IX.
Schließlich das Gelée royale, das ist jene Substanz, die wie eingangs schon erwähnt, für die Bienenköniginnenlarve unentbehrlich ist. Ob es aber jenes Wundermittel ist für den Menschen, halte ich für fraglich. Ob die sicher zahlreichen Inhaltsstoffe (Vitamine, Mineralien, Fermente) über so geringe Mengen dieses Stoffes sinnvoll zugeführt werden müssen, daran darf gezweifelt werden. Es scheint mit "Wundermitteln" immer dieselbe Problematik - gleich ob es Gelée royale, Ginseng, Grapefruitsamenextrakt oder der Grüne Tee ist: Reklame, Indikationslyrik und Preis stehen in keinem Verhältnis zum Wert. Bedenklich ist der Umstand, dass man auch in unseren Kreisen immer wieder dieser Einseitigkeit zum Opfer fällt.
(Das Präparat Apiserum möchte ich jedoch herausheben, weil es in einem soliden Preis-Leistungs-Verhältnis steht.)
Schlussbemerkungen:
Die Bienen gibt es vermutlich seit ca. 40 Millionen Jahren. Dass sich eine Tierart über solch langen Zeitraum halten konnte, grenzt an ein Wunder. Neben den Ameisen sind sie die einzigen "staatenbildenden" Tierwesen, hochorganisiert, arbeitsteilig und von einer geordneten "Intelligenz" - der Ausdruck Instinkt erscheint mir nicht ausreichend die einem den Glauben an eine Schöpfung nahelegen. Denken wir allein an das Informationssystem: an die von dem Zoologen Prof. Karl von Frisch entdeckten präzisen Tänze, mit denen die Kundschafterbienen ihren Stockgenossen Richtung und Entfernung einer Trachtquelle anzeigen. Mit Worten wie "Kompass" und "innere Uhr" sind diese Phänomene nur oberflächlich erklärt und mit Begriffen wie der Darwin'schen Evolution und Selektion (aus dem Nichts evolutioniert und selektiert oder aus was?) kann man nicht zufrieden sein. "Herrscher über Biene und Schilf", d.h. über Ober- und Unterägypten, steht seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. als Königshieroglyphe in allen ägyptischen Pharaoinschriften - aber seit 10.000 Jahren begleitet die Biene den Menschen schon zum Nutzen und auch Vorbild. Ihr Fleiß, wie wir es aus menschlicher Sicht auffassen, ist sprichwörtlich geworden; dieses und die Bewunderung ihrer staatlichen Ordnung haben sie auf päpstliche Wappen (Urban VIII. aus dem Hause Barberini) ebenso gebracht wie vorher schon auf Silbermünzen der Stadt Ephesus im 3. Jahrhundert v.Chr. und später auf dem Krönungsornat des Kaisers Napoleon. Die Zunft der Zeidler, ihre umfangreiche Bienenzucht im Nürnberger Reichswald, genauestens von der Obrigkeit geregelt bis unmittelbar in unsere Zeit mit der Gefährdung und dem Rückgang der Bienenzucht: das alles ist auch ein Stück Kulturgeschichte - so wie die Heilkunde selbst.
Ich sehe auf vielen Vorträgen, dass unser Wissen über das, was wir anwenden, oft einseitig ist: Vielen ist die Pflanze, die sie als Phytotherapeutikum verordnen, unbekannt. Auch wissen manche, die Homöopathie anwenden, nicht oder nicht viel über den Stoff, den sie eigentlich benutzen. Das aber lässt sich durch fleißiges Studium ändern. Schließlich sprechen wir ja von Naturheilkunde, d.h., dass wir der Natur kundig sein sollen - um zur Praxis zu gelangen.
Literaturverzeichnis:
Armbruster und Oemke: "Die Pollenform als Mittel zur Honigherkunftsbestimmung", 1929
Becker, Dr.med.dent. W.: "Was hat die Zahnheilkunde mit Honig, Propolis und Pollen zu tun?", Manuskript, 1998 (St.-Johanser-Tagung)
Donadieu, Dr. med. Yves: "Gelée royale", Koch-Verlag, 1987
Herold, Edmund: "Heilwerte aus dem Bienenvolk", Ehrenwirth-Verlag, 1970
Karl, Josef: "Der Heilwert des Honigs", Naturheilpraxis 1960
Maeterlinck, Maurice: "Das Leben der Bienen", Fischer Taschenbuch 1953
Matrizell-Broschüre: Firma St. Johanser, Gauting/Obb.
Rüdiger, Wilhelm: "Ihr Name ist Apis", Ehrenwirth-Verlag, 1974
Stern, Horst: "Sterns Bemerkungen über Bienen" Kindler Verlag 1970
Zangerl, Adalberg: "Propolis und ihre Heilwirkung", 1986
Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Siegfriedstr. 10
80803 München
Diese Informationen
und Veranstaltungshinweise
finden Sie auch in der Zeitschrift Naturheilpraxis des Pflaum-Verlages: