Elektromagnetische Felder -- Physikalische Grundlagen
Dietmar Mischke, Berlin
Elektromagnetische Felder sind allgegenwärtig und spielen eine überragende Rolle im gesamten Geschehen unserer Welt. So ist Licht ebenso ein elektromagnetischer Wellenvorgang wie das Verhalten der Materie zu einem wesentlichen Teil durch elektromagnetische Wirkungen der Elementarteilchen erklärt werden kann. Nicht zuletzt steuern elektrische Signale Nervensystem und interne Regelvorgänge eines jeden Lebewesens. Wir Menschen fügen allerdings den natürlichen, vielfach lebensnotwendigen elektromagnetischen Feldern mit unserer heutigen Technik eine erhebliche, künstlich erzeugte elektromagnetische Strahlung hinzu.
Der Bereich elektromagnetischer Wellen erstreckt sich lückenlos von den viele Kilometer langen, niedrigfrequenten Wellen der drahtlosen Telegraphie bis zu den kürzesten, hochfrequenten Wellen der Höhenstrahlung. Innerhalb dieses weiten Frequenzbereiches bestehen enorme Unterschiede sowohl hinsichtlich des physikalischen Verhaltens der Strahlung als auch bezüglich ihrer Wirkung auf Lebewesen. Ausgelöst durch Berichte, die einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Krebs und elektromagnetischer Strahlung niedriger Frequenz nahelegen soll der folgende Beitrag einen Überblick Über die physikalischen Grundlagen elektromagnetischer Felder geben. Über ihre biologische Wirkungen, Risiken und Gefahren wird im Artikel von Hermann Fromme die Rede sein.
Der Niederfrequenzbereich des elektromagnetischen Wellenspektrums umfaßt Wellen mit Frequenzen bis zu 30 000 Hertz (Hz). Dabei wird als Frequenz (Schwingungszahl) die Anzahl der ausgeführten Schwingungen pro Sekunde bezeichnet; sie wird in Hertz (Hz) gemessen. Im genannten Bereich werden folgende Teilbereiche unterschieden:
1.) der ULF-Bereich (ultra low frequency) mit Wellen bis zu 3 Hz,
2.) der ELF-Bereich (extremely low frequency) mit Wellen, deren Frequenzen zwischen 3 und 3000 Hz liegen und
3.) der VLF-Bereich (very low frequency) zwischen 3000 und 30 000 Hz.
Die Frequenz unseres Stromversorgungsnetzes beträgt 50 Hz, sie liegt also im ELF-Bereich.
Im Niederfrequenzbereich können elektrische und magnetische Felder, physikalisch gesehen, getrennt von einander betrachtet werden. Sie entstehen immer dann, wenn Spannung vorhanden ist und/oder Strom fließt. Ihr Verlauf läßt sich anhand von Feldlinien verfolgen (Abbildung 2). Je nach Art des erzeugenden Stroms entstehen Gleich- oder Wechselfelder. Als Maß für die Intensität des elektrischen Feldes dient die elektrische Feldstärke, sie berechnet sich als Spannung pro Abstand und hat die Dimension Volt pro Meter (V/m). Für magnetische Felder wird außerdem die Eigenschaft der Materie berücksichtigt, in dem sie auftreten. Ihre Wirkung wird mit der magnetischen Flußdichte erfaßt, deren Einheit das Tesla (1 T = 1 Vs/qm) ist.
Die Ausbreitung elektrischer und magnetischer Felder unterliegt verschiedenen Gesetzmäßigkeiten. So nimmt ihre Stärke mit der Entfernung vom Ursprung (Leitung oder Gerät) schnell ab, beispielsweise erniedrigt sich die magnetische Flußdichte bei einem Abstand von 30 cm um etwa das 100fache. Durch Gegenstände wird das elektrische Feld stark beeinflußt, während das magnetische Feld nur geringfügig verzerrt wird. Dies hat zur Folge, daß Materie (wie z.B. Bäume und Häuser) elektrische Felder zur Erde hin ableiten und abschirmend wirken kann. Eine Abschirmung magnetischer Felder hingegen ist mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich, sie dringen fast ungehindert durch Mauerwerk, Erdreich und auch den menschlichen Körper.
Ein natürliches elektrisches Gleichfeld besteht zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre (elektrisch gut leitende atmosphärische Schicht in einer Entfernung von 60--80 km), seine Entladung ist bei Gewitter zu beobachten. Elektrische Gleichfelder kommen auch in der Umgebung von öffentlichen Verkehrsmitteln vor, die, wie z.B. U- und S-Bahn, mit Gleichspannung betrieben werden. Ebenfalls entstehen sie durch Berührung und Reibung zweier nicht leitender Stoffe. So wurde im Jahre 1600 von William Gilbert die Kraft, die von geriebenen Bernstein -- das im Altertum 'Elektron' genannt wurde -- auf Seidenfäden, Papierschnitzel, Staub und dergleichen wirkt, als ,,vis electrica" bezeichnet und damit namengebend. Beim Gehen ber einen Teppichboden oder beim Ausziehen eines Kunstfaser- oder Wollpullovers können solche elektrischen Gleichfelder entstehen und sich mit sog. Elektrisierungen bei elektrischen Feldstärken von bis zu 1000 V/m entladen.
Blitze erzeugen elektrische Wechselfelder, die nicht nur in unmittelbarer Umgebung von Bedeutung sind, sondern auch weltweit zum Auftreten natürlicher Wechselfelder beitragen. Technisch erzeugte Felder treten bereits dann auf, wenn elektrische Energie im Stromnetz bereitgestellt wird. Sie umgeben damit gleichfalls alle angeschlossenen Geräte in Haushalt und Industrie. In Wohnr"umen beträgt die elektrische Feldstärke im Mittel 100 V/m, durch Spannungsfreischaltung kann dieser Einfluß elektrischer Wechselfelder auf 1 bis 10 V/m erniedrigt werden. Elektrische Wechselfelder sind unabhängig davon, ob der Strom tatsächlich verbraucht wird. Sie sind daher in unserer Umwelt immer vorhanden. Von bestimmten Industrieanwendungen abgesehen, treten die höchsten technisch erzeugten Feldstärken unter Hochspannungsleitungen an der Stelle des größten Durchganges auf. Gleichermaßen entstehen bei der Stromversorgung der Eisenbahn elektrische Wechselfelder. Die Stärke dieser Felder ist von vielen Bedingungen abhängig: außer der anliegenden Spannung spielt die Entfernung und Anordnung der stromführenden Teile sowie die Umgebung mit ihren möglichen Abschirmwirkungen eine Rolle. Unter einer elektrischen Heizdecke kann die elektrische Feldstärke 6000 bis 7000 V/m betragen, Infrarotlampen wirken in Körpernähe mit 1000 V/m.
Magnetische Gleichfelder bilden sich um Dauermagnete, als deren größter das Erdmagnetfeld angesehen werden kann. In unseren Breitengraden beträgt die magnetische Flußdichte etwa 50 mikroTesla. Technisch erzeugte magnetische Gleichfelder spielen im Vergleich zu anderen Feldern nur eine untergeordnete Rolle. In der medizinischen Diagnostik werden mit der Anwendung der Magnetresonanz-Tomographie durch hohe magnetische Gleichfelder (500 milliTesla) hervorgerufene Orientierungseffekte bestimmter Atome, vor allem Wasserstoff, krankhafte Gewebeveränderungen im Körperinnern nachweisbar gemacht.
Magnetische Wechselfelder entstehen immer dann, wenn elektrische Ladungen bewegt werden, wenn also Strom verbraucht wird. Ein Blitz erzeugt in einer Entfernung von 100 Metern eine Flußdichte von 1 milliTesla. Allerdings dominieren in unserer Umwelt die technisch erzeugten magnetischen Wechselfelder gegenüber den in der Natur auftretenden, denn alle Erzeuger elektrischer Wechselfelder (siehe oben) produzieren im Betrieb gleichzeitig auch magnetische Felder. Die dabei entstehenden Flußdichten spiegeln alle Änderungen im Verbrauch elektrischer Energie wider und sind deshalb starken Schwankungen unterworfen. So können beim Einschalten eines Elektroherdes in unmittelbarer Nähe der Heizplatte vorübergehend Flußdichten von 1 milliTesla auftreten und im Eisenbahnabteil kann in der Phase des Anfahrens eine Flußdichte von 30 bis 300 mikroTesla vorhanden sein.
Im Bereich hochfrequenter Wellen (gr"ßer 30 000 Hz) treten elektrische und magnetische Feldwirkung immer gemeinsam auf. Solche hochfrequente elektromagnetische Strahlung geht von Mikrowellen, Rundfunk- und Fernsehsender sowie automatischen Türöffnungs- und Radaranlagen aus. Die ständige Zunahme auch dieser Strahlungsquellen trägt auf diese Weise zu einer weiteren Erhöhung des Strahlungspegels bei.
In der Abbildung 3 sind Werte für die Stärke elektrischer und magnetischer Felder einiger Haushalts-Geräte und technischer Anlagen zusammengestellt. In der Bundesrepublik Deutschland gelten bisher nur Grenzwert-Empfehlungen, und zwar 20 000 V/m für das elektrische Feld und 5 milliTesla (bei 50 Hz) für das magnetische Feld. Diese Werte werden als Gefährdungsgrenzen angesehen, deren Überschreitung zu einer Beeinflussung der Gesundheit -- im Sinne akuter Phänomene wie Herzflimmern, optische Täuschungen u.a. -- führen können.
Als Schutzmaßnahmen gegen elektromagnetische Felder im häuslichen Bereich kommen Netzfreischaltungen infrage, deren Wirkung dem des Herausdrehens von Sicherungen gleichkommt, die aber bei Bedarf automatisch wieder Strom bereitstellen. Der Abstand von Geräten und Leitungen sollte möglichst groß gehalten werden (ein Meter zu Leitungen, zwei Meter zu Elektrogeräten und Leuchtstoffröhren, vier Meter zu Farbfernseher) und bei Nichtgebrauch der Stecker gezogen werden. In Bettnähe sollten keine Leitungen verlaufen, gegebenenfalls sollte das Bett umgestellt bzw. der Schlafbereich durch Netzfreischaltung gesichert werden. In der Zeitschrift ,,Natur" (Heft 12/91; Seite 71--75) sind mehrere Meßgeräte zur Ermittlung von elektromagnetischer Belastung im Hause vorgestellt und getestet worden. Als staatliche Behörde ist das Bundesamt für Strahlenschutz, Albert-Schweitzer-Str. 18 in W-3320 Salzgitter 1, Telefon 05341 1880 zuständig.
Literatur
Norbert Leitgeb Strahlen, Wellen, Felder - Ursachen und Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit
dtv 11265, München 1990, 16.80 DM
Anschrift d. Verfassers:
Dr.rer.nat. Dietmar Mischke
Savignyplatz 4
D-10629 Berlin (Charlottenburg)
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Hp Ralf Kloppenborg, Manfred
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Peter-Strasser-Weg 35
12101 Berlin
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entnommen
der Zeitschrift: AKODH intern