Degenerative Erkrankungen
Phythotherapie und Rheumatismus -
Ein Seitenblick
von Bernd Hertling
"Die größte Gemeinsamkeit von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises dürfte in der therapeutischen Not liegen, die den Patienten oft über Jahrzehnte begleitet."
Peter A. Zizmann
Dieses programmatisch meinem Beitrag vorangesetzte Bonmot des praktizierenden Kollegen, Buchautors und Bundesvorsitzenden des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker (FDH), soll gleich zu Beginn verdeutlichen, daß gerade im Zusammenhang mit "Rheuma" das berühmte Klarheit und Einsicht vermittelnde letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist.
Rheuma was ist das?
Sapientis est ordinare - Aufgabe des Weisen ist es, zu ordnen!
Die Vielzahl der Einzelerscheinungen ist verwirrend und man sieht sich genötigt, sie systematisierend zu besser zugänglichen Universalien zusammenzufassen. Generalisierend spricht hier die Naturheilkunde von der rheumatischen Diathese, unter dessen Banner sich die buntscheckige aber leider durchaus unansehnliche Schar der rheumatischen Erkrankungen versammelt. Die internationale Rheumaliga teilt sie ein in drei Hauptgruppen:
1) Rheuma entzündlicher Art:
Primär chronische Arthritiden, Morbus Bechterew, Spondylarthritiden, rheumatisches Fieber, aber auch sekundär entzündliche Prozesse, wie entzündlich aktivierte degenerative rheumatische Erkrankungen z.B. bei Arthrosen oder Weichteildegenerationen zählen darunter. Womit wir auch schon zwanglos bei der nächsten Form des Rheumatismus angelangt wären:
2) Rheuma der degenerativen Art:
Arthrosen unterschiedlichster Ausprägung, Osteochondrosen, Spondylosen. Sie treten auf als Ablagerungen, Verhärtungen und damit einhergehendem Funktionsverlust.
3) Weichteilrheumatismus:
Hierzu zählen Erkrankungen mit vorwiegend entzündlichem Charakter wie Periarthritiden, Bursitiden, Tendovaginitiden und Neuritiden; doch auch nicht-entzündliche wie Myalgien, Myogelosen und Tendopathien gehören dazu.
Sind die primär entzündlichen Formen vorrangig gekennzeichnet durch die fünf Entzündungszeichen: rubor, dolor, tumor, calor, functio laesa; tritt dies bei den sekundär entzündlichen nur periodisch als heißes Aufflackern einer primär kalten Erkrankung auf. Therapiert man nur diese entzündlichen Reaktionen, als akuten Ausdruck von Krankheit, unterdrückt man eigentlich in Verkennung der wahren Grundsituation die noch vorhandenen Selbstheilungskräfte die sich in Restitutionsversuchen des Organismus äußern, mit Hilfe einer Entzündung sich Antigene vom Leibe zu halten.
Im Grunde ist auch diese Einteilung relativ willkürlich. Schließlich läßt sich dahinter keine durchgehende Systematisierung, etwa anhand der Aufteilung in Reaktionsmuster erkennen, wie sie noch in der Differenzierung der ersten beiden Gruppen erfolgte. Die Entzündung dem Degenerationsprozess entgegenzustellen ist ja durchaus legitim, aber indem dann als dritter Punkt, quasi als Sonderstellung der sowohl-als-auch-Charakter des Weichteilrheumatismus, der sich nicht am Gelenk äußert, aufgeführt wird verläßt man die begonnene Systematik. Letztendlich stellt auch die Rheumaliga damit jene allzu bekannte Unsicherheit im Zusammenhang mit Rheuma erneut unter Beweis, der Bernhard Aschner vor 50 Jahren zu entgehen hoffte, indem er den Ort des Geschehens zur Differenzierung heranzog und von "Gelenkrheumatismus und verwandten Erkrankungen" sprach.
Rheuma und Beweglichkeit ein rein körperliches Problem?
Wohl das Leitsymptom aller rheumatischen Erkrankungen und Beschwerden ist ein Mangel an Beweglichkeit, egal welchen Ursprungs die jeweilige individuelle Ausprägung des Leidens auch sein mag.
Was passiert im Schlafzimmer eines "typischen Rheumatikers", am frühen Morgen versteht sich, wenn der Wecker klingelt und die Sonne aufgeht? Der Mensch erhebt sich - und verzieht als erste Reaktion des Tages das Gesicht - vor Schmerzen, weil ihm dieses oder jenes Gelenk, ein bestimmter Abschnitt der Wirbelsäule oder ein gewisse Muskelgruppe Schmerzen verursachen. Er nimmt, so gut es geht, eine Schonhaltung ein und beißt die Zähne zusammen, denn im Aushalten und Ertragen von Unbill ist er nicht nur geübt, sondern hat es in dieser Disziplin zu einer gewissen, freilich zweifelhaften Meisterschaft gebracht, um jene Zeit des Anlaufschmerzes zu überbrücken. Wohl für kein Mitglied einer Menschengruppe hat jener volkstümliche Ausspruch, "schön wird's, wenn der Schmerz nachläßt", solchen Realitätsgehalt wie für unseren fiktiven Idealtypus des Rheumatikers. "Nicht die kalte Schulter zeigen, wenn wir zum Rheumatismus neigen," reimte Eugen Roth und deshalb ist das Schlafzimmer "unseres Rheumatikers" wohltemperiert, denn kaltes Klima ist ihm ein Graus. Leider bekommt er davon im Laufe der Zeit auch noch trockene Nasenschleimhäute, die seiner Neigung zu chronischen Atemwegsinfekten natürlich noch entgegenkommen. Irgendwann einmal hat er sich auch mit Astrologie beschäftigt und hat feststellen müssen, daß die Begründer dieses Systems sicher keine Rheumatiker waren, verschafften sie doch dem Gestirn der Liebesgöttin, in unseren Breiten die Venus, das Ansehen des parvum bonum, des "kleinen Guten" am Himmel. Selbstredend hat er nichts gegen die Venus, Aphrodite, Freya, Ischthar und wie sie alle heißen mögen, aber eine Qualitätenpaarung wie feucht - kalt, als positiv zu bewerten, das hält er doch für unangemessen, wenn nicht gleich vermessen. Schließlich beginnen immer dann, wenn sich die Säfte rühren, wenn sich zur Qualität Kalt auch noch Feucht hinzugesellt seine Leiden! Er erklärt sich diese für ihn so kryptische Positivdeutung der Venus und ihrer Kräfte mit den Entstehungsregionen der Lehre, dem vorderen Orient und dem Mediterraneum, wo eine kühlende feuchte Brise als Abhilfe gegen die dörrenden Aspekte der trockenen Hitze durchaus segensbringend erlebt wird. Wenn es nach ihm ginge, stünde das ganze Jahr unter der Aegide Juppiters, dessen warm-feuchten Aspekt er besonders verehrt und schätzt. Abgesehen davon kann er aber mit dem Planetenherrscher an sich wenig anfangen. Seine heimliche Zuneigung gehört eigentlich dem Saturn und seiner trocken-kalten Auffassung von Herrschaft. Wenn es also überhaupt kalt sein muß, dann doch bitte trocken! Das grand mal, magnum malum mit seiner Tendenz zur Verknöcherung, Erstarrung sowohl vom körperlichen als auch vom geistigen Aspekt her gesehen, übt eine gewisse Faszination auf "unseren Rheumatier" aus.
a) Anspruch der Gesellschaft und Midlife-crisis
Oft beginnen ja die rheumatischen Beschwerden, der degenerativen Art in erster Linie, in der fünften Lebensdekade, in jenem Abschnitt, da sich die Sutura sagittalis allmählich verknöchernd schließt. Diese strikt nach vorn gerichtete Knochennaht verrät auch ein wenig über den geistigen Blickwinkel in dieser Phase. Es wäre jetzt gemein, würde man von Brettern vorm Hirn reden, doch eine gewisse Einengung des Blickwinkels läßt sich vielen Menschen dieser Altersstufe nicht unbedingt absprechen. Nicht nur die Schwaben werden erst mit vierzig reif auch andere Völker sahen keinen Grund, die Vitalkräfte der Jugend allzu schnell auszuschöpfen und zu verbrauchen. Der Angehörige des altrömischen Stadtadels wurde an seinem vierzigsten Wiegenfest in die Riege der seniores aufgenommen, bis dahin galt er als junior und durfte das Gesicht hinter einem Bart verbergen. Spätestens mit Vollendung des vierzigsten Lebensjahres galt das Gesicht dann als "fertig" und man erwartete von einem Mann, wollte dieser ernstgenommen werden, daß er sich von dato an rasierte - bis sein Haar weiß wurde, und man ihm dann den Bart wiederum als Zeichen einer gewissen Alterswürde zugestand... Exakt nach zwei Jahren Zugehörigkeit zu den "Alten" konnte der Senator für das höchste Staatsamt, das Konsulat, kandidieren. Wer also mit 42 Konsul wurde, der hatte es suo anno (zum frühest möglichen Zeitpunkt) geschafft und genoß dafür höchstes Ansehen. Dorthin gelangte man nur, wenn man zuvor den Cursus honorum die streng geregelte Ämterlaufbahn, bestehend aus Dienstgraden in der Zivilverwaltung und dem Militärdienst, durchlaufen hatte. Charaktereigenschaften wie Entschlußkraft, Durchsetzungsvermögen, Zielstrebigkeit und Geradlinigkeit waren dazu nötig - alles also nicht unbedingt Eigenschaften die unmittelbar in den Graben führen müssen. Aber bei aller Geradlinigkeit wurde doch ein gerüttelt Maß an Spontanität, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von einem Kandidaten erwartet. Ausgesprochen saturnische Erscheinungsbilder wie Cato d. J. konnten es nur unter Aufbietung aller Reserven in der Kurie zu etwas bringen, über die Karrieren weltgewandterer Typen wie Caesar, Pompeius oder auch Cicero, braucht man nichts zu sagen. Im Grunde erwartet man ja auch heute noch von einem guten Politiker (gibt es so etwas überhaupt? ist das nicht ein Oxymoron?) diese Fähigkeit sich anzupassen und trotzdem er selbst zu bleiben. Interessanterweise sollte sich der Mensch, der den akademischen Weg eingeschlagen hat, in eben diesem Alter habilitieren! Was bedeutet das, auch wenn es uns Heilpraktiker nicht unmittelbar tangiert? Habilis heißt beweglich, der homo habilis der Vorzeit war also in erster Linie bewegungsfreudig und ein Dr. xy habil. hat mit seiner Arbeit unter Beweis gestellt, daß er geistig beweglich geblieben/geworden oder besser gesagt genug ist, sich auf etwas völlig Neues einzustellen, einzulassen. Denn seine Arbeit muß Zeugnis davon ablegen, daß er die Forschung auf seinem Sektor um ein bedeutendes Stück weitergebracht hat. Wenn nun also schon die knöcherne Sutur zusammenwächst, muß jedoch der Geist, der sich darunter tümmelt, durchaus noch beweglich sein. Aber, wie die Erfahrung lehrt, ist dies in diesem Alter nicht unbedingt selbstverständlich. Im Grunde nämlich kommt der Mensch hier in ein "schwieriges Alter" (Geht man nach den Meinungen praktizierender Eltern besteht aber auch die ganze Jugend bis dahin nur aus schwierigen Altersabschnitten...). Nicht umsonst werden die meisten Männer von der Midlife-crisis heimgesucht und mehr oder minder schwer gebeutelt. Midlife-crisis, weil man dahintergekommen ist, daß mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Lebenserwartung abgelaufen ist - Jung spricht z.B. ab dem 35. Lebensjahr, von der "zweiten Lebenshälfte" - und die zweite Hälfte a) kürzer und b) unangenehmer wird als die erste. Der rheumatische Mensch, der ja hier im Mittelpunkt der Betrachtung steht, beginnt Schwierigkeiten zu bekommen. Meist mit seiner ganzen Persönlichkeit, indem er z.B. mit bestimmten Eigenschaften hadert und keine Auswege aus der Krise sieht. Zu diesen geistigen Problemen und seelischen Zwickmühlen gesellen sich nun auch noch körperliche Beschwernisse hinzu. Die Gelenke wollen ihn plötzlich nicht mehr so in Bewegung bringen, wie er es gerne hätte.
b) Ge-lenk als Richtungsweiser
Laut etymologischem Duden - Wörterbuch leitet sich das Wort Gelenk übrigens aus dem mittelhochdeutschen gelenke ab. Womit man damals die Taille bezeichnete, also jene Stelle des Körpers, wo er weich ist und sich biegen läßt. Wörtlich genommen bedeutet es also biegen, (um)leiten, flechten, winden. Auch ohne die etymologischen Wurzeln zu kennen, fällt auf, daß im Wort Ge-lenk unübersehbar der Wortbestandteil "lenken" steckt. Das Ge-lenk dient ja schließlich dazu, die Bewegungen des Körpers dorthin zu lenken, wo der Geist sie haben will. Die Bewegung vollzieht auf der körperlichen Ebene einen im Geist zuvor entworfenen Plan nach. Wenn dies nun auf Widerspruch beim Leser stoßen mag, sei darauf verwiesen, daß dies natürlich nicht immer voll bewußt geschehen muß, man denke z.B. nur an die Reflexe. Schließlich ist der Wille ist ja nicht primär Ausdruck des Bewußtseins!
c) Das Problem der Initiative
Ist nun aber das Gelenk geschädigt, findet die Bewegung eventuell nur initial oder rudimentär, jedenfalls aber unter Schmerzen statt. Oder der Mensch geht in die Vermeidung und unterläßt sie völlig. In jedem Fall kann sie, wenn überhaupt, nur unter mehr oder minder ausgeprägten Beeinträchtigungen vollzogen werden. So ist die Morgensteifigkeit, oftmals gerade in jener oben zitierten Ebene, "wo der Körper sich biegen läßt" also in der Taille, wohl als Leitsymptom zu sehen. Denn nicht nur die Gelenke der Extremitäten können Schäden davontragen, auch und vor allem die Wirbelsäulengelenke sind häufig betroffen. Wir sehen, daß es nicht so sehr darum geht, eine gewisse Ausdauer unter Beweis zu stellen, sondern vielmehr darum, die Initiative zu ergreifen und anzufangen.
Eingefrorene erstarrte Flüssigkeit
Dem Initialschmerz, beim Anlaufen einer Bewegung auf der somatischen Ebene stehen die Initiativschwierigkeiten auf der geistigen Ebene gegenüber. (Ich möchte mich nicht dazu hinreisen lassen, zu sagen, "bedingen sie" da ich es für nicht unbedingt ausgemacht ansehe, daß automatisch immer der Geist dominiert und be-dingend ist...) Neben den Initialschmerz tritt also die Initiativschwierigkeit: Was soll man anfangen, was beginnen? Was mit sich anfangen, mit sich beginnen? Der Morgen ist also die Zeit des Anfangens, des Beginns, wo die Sonne im Osten steht, oriens solis wohin man sich früher auch im Denken orientierte. Orientierung bedeutet ja zunächst nur, die Landkarte zu osten (statt sie, wie heute usus zu norden), was doch wohl auch heißen mag, sich zunächst auf seine Anfänge zurückzubesinnen und den gegenwärtigen aktuellen Standort zu bestimmen und sich auf die Bedürfnisse der Zukunft auszurichten.
d) Panta rhei als Ausdruck von Leben
Wer also Orientierungsschwierigkeiten hat, wessen geistiger und/oder körperlicher `Richtungsweiser' streikt, der ist nicht im Fluß. Und genau dort setzt das Rheuma ein: Im Grunde bedeutet ja das aus dem Griechischen stammende Wort, rheo "ich fließe, ströme". Drückt also durchaus einen Zustand, der eine Bewegung kennzeichnet, aus und keinen Stillstand! Im Prinzip ist der Begriff Rheuma aber irreführend, denn solange alles im Fluß ist, sich in Bewegung befindet, findet die Krankheit ja nicht statt.
Frei bewegliches Fließen
Erst wenn sich Blockaden einstellen, wenn die geistige Flexibilität und die körperliche Beweglichkeit nicht mehr gewährleistet ist, kommt es zur Krankheit: Der Körper deponiert an verschiedenen Stellen des Bindegewebes, häufig aber an Synovien von Gelenken Stoffwechselschlacken, die eigentlich über Darm und Niere ausgeschieden werden sollten. Solange der Vorgang der Deponierung anhält treten in der Regel keine Beschwerden, die damit in Verbindung gebracht werden auf. Nur wer hellhörig ist, sieht in den typischen Müdigkeits- und Lustlosigkeitsphasen, die der Mensch in diesen Zeiten durchläuft Anzeichen der rheumatischen Erkrankung. Schließlich tritt die Ausprägung jener Symptome, die dem Patienten dann lästig werden und ihm viel Ungemach bereiten, weniger in Zeiten der Blockaden auf, sondern eher in jenen Phasen, da die Selbstheilungskräfte des Organismus sich darauf besinnen, Schlacken abzutransportieren. Nun, da das Deponierte herausgelöst werden muß, kommt es zu entzündlichen Reizen und schmerzhaften Prozessen an den Gelenkstrukturen, die ohnehin empfindlich genug sind. Dabei stellen sich die Schmerzen an ständig wechselnden Lokalitäten des Körpers ein. Das in diesem Zusammenhang festgestellte Fließen der Noxen stand Pate bei der Namensgebung der Krankheit und auch erst jetzt, da die Schmerzen einsetzen, entsteht überhaupt das Bewußtsein von Krankheit, weshalb es auch nicht erstaunt, daß sich auch die Fachterminologie dieses Zustandes und nicht des eigentlich schädigenden der Deponierung der Schlacken bedient, um das Leiden zu definieren. Genauso wenig verwundert es, daß der Patient gerade diese Vorgänge natürlich am liebsten ungeschehen machen möchte, er auf baldige Schmerzfreiheit und "Heilung" seiner Beschwernisse drängt. Leider wird dann diese gesunde Reaktion, dieser zwar unangenehme Ausdruck der Lebendigkeit des Organismus und seiner Fähigkeit zu Koordinieren und sinnvoll zu Handeln dann häufig unterdrückt, was langfristig dazu führt, daß sich die Selbstheilungskräfte immer mehr zurückziehen müssen, um schließlich völlig passiv in einer torpiden Reaktionslosigkeit zu verharren.
Phytotherapie der Rheumatischen Diathese
Es sei mir erlaubt, eingangs gerade in Hinsicht auf den Therapieerfolg Prof. Weiss zu zitieren, der von großen Versprechungen, die sich meist nicht halten lassen spricht. Gerade hier, in Hinsicht auf dieses sehr unübersichtliche Krankheitsbild treibt die Indikationslyrik wahre Doldenblüten und man muß sicher skeptisch sein angesichts bombastischer Kasuistiken, wie sie vielerorts veröffentlicht werden. Sieht man von den Ansätzen einer antidyskratischen Therapie, wie sie Aschner verfolgt ab, hat man als Phytotherapeut beim Rheuma vom Prinzip keine reellen Chancen und Möglichkeiten. Dessen sollte man sich bewußt sein. Grundsätzlich ist die Materia medica in dieser Hinsicht zahlenmäßig eher unterrepräsentiert was erstaunt, wenn man die Vielfalt der Pathologie vor Augen hat, die ja von akut entzündlichen Prozessen über Autoaggressiverkrankungen bis hin zu chronisch degenerativen Abnützungssymptomen reicht. Und auch aus dieser begrenzten Zahl möchte ich nun im folgenden einige ausgewählte phytotherapeutisch relevante Pflanzen vorstellen.
Will man gegen die entzündliche Reaktion vorgehen, empfiehlt sich selbstredend der hochdosierte Einsatz von Enzymen, wie dem Fertigpräparat Mulsal (Mucos) bestehend aus Bromelainen, Trypsin und Papain, die man als Phytotherapie im weiteren Sinne bezeichnen kann.
1) Salix alba et al. - Weiden
Auf der schönen Ferieninsel Elba saß dermal einst der große Korse Buonaparte im Schatten einer Trauerweide und trauerte seinem nunmehr der Vergangenheit angehörendem Glanz und Gloria nach. Sicher ein schattiges Plätzchen abseits von Rummel und Getriebe der Welt. Doch wohl kein idealer Aufenthaltsort für einen homme wie den Empereur, den Kaiser der Franzosen. Hier sprachen zu ihm, dem Weltgeist zu Pferde, wohl abends im Dämmerlicht die in der Weide wohnenden Naturgeisterchen, jene Nymphen, Kobolde und Feen die sich in den Hohlräumen des weichen Holzes, das jene Baumarten auszeichnet genauso wohl fühlen wie Enten und Marder, Käuzchen und Wiedehopfe oder gar die kleinen Weidenmeisen, die sich dort ihre Höhlen selbst zimmern.
Salix alba - Eine mächtige alte Silberweide
Die Vielfalt der Weidenarten zu differenzieren ist nicht einfach. Gehören doch etwa die im Flußtal stehenden himmelstürmenden silbrigglänzenden, in Form und Gestalt den Ölbäumen ähnelnden Silberweiden genauso zu dieser Familie wie jene alpinen Formen, die kriechend höchstens Fingerdicke erreichen und mit dunkelgrünen derben Blättern dem kurzen Gebirgssommer soviel Licht als nur möglich abtrotzen wollen. Jeder kennt das wohl weltweit meistgebrauchte Medikament, das Aspirin und seine Abstammung von der Weidenrinde. Diese Rinde mit ihrer antipyretischen, antifibrinösen, analgetischen, aber auch antirheumatischen und durchblutungsfördernden Wirksamkeit ist ein "allround-Mittel" bei entzündlichen Erkrankungen, nicht nur des rheumatischen Formenkreises. Die Verschreibung der Naturdroge hat für den HP nicht nur den Vorzug, "exotischer" als die Fertigarznei des Arztes zu sein, auch die bessere Verträglichkeit spricht für sie: Verwendet man einen Extrakt aus Cortex Salicis wird die wirksame Substanz nicht schon im Magen-Darmtrakt, sondern erst im Blut freigesetzt. Man muß also nicht mit den den Intestinaltrakt reizenden Nebenwirkungen, wie beim synthetischen ASS rechnen, wo es heißt: Vor Dauergebrauch sei gewarnt: Es kann zu Veränderungen der Magenschleimhaut, bis hin zum Ulcus kommen. Trotzdem haben die synthetischen Mittel die Naturdroge Weidenrinde aus den Apotheken weitgehend verdrängt.
Alpine species, vielleicht gar nicht soviel jüngerrankt sich über den abweisenden Felsengrund
Wie im kleinen, so im großen: Genauso räumt eine als "Baumpflege" getarnte blindwütige Zerstörungswelle unsere langsam gewachsenen landschaftsprägenden Strukturen, wie es alte Bäume nun einmal sind gnadenlos ab, was u. a. dazu führt, daß Nistplatzspezialisten wie die Weidenmeise weitgehend ausgerottet ist. Doch die Kobolde und Hexen hausen weiterhin in den noch vorhandenen Kopfweiden und drehen, so hofft man, den Baumschändern die Gesichter nach dem Rücken.
2) Fraxinus excelsior - Esche
Besonders gefährliche Geistwesen, uralte grausame Nymphen jedoch leben in den Eschen. Wer sich im Schatten dieser lichten, ganz dem oben zugekehrten Bäumen ausruht, vor allem wer das Wagnis eingeht, sich zu einem Schimmer darunter auszustrecken, den holen sie sich und schlagen ihn mit Wahnsinn! Für die Griechen war dieser Baum dem Poseidon, dem Meergott also heilig, und galt als der erste Baum auf der Erde, denn aus jenen Tropfen des Blutes des Himmelsgottes Uranus, der von seinem Sohn Kronos mit der Sichel kastriert worden war, die auf die Erde fielen, entwuchsen jene Meliai genannten Eschennymphen. Somit sind diese Nymphen und die mit ihnen verwachsenen Bäume älter als Sonne und Mond! Doch die Untat des Kronos pflanzt sich fort im Holz des Baumes: Eschenholz ist seit alters her das beste Holz für Speere und die langen eisenspitzentragenden Lanzen. Denn das Holz der Esche vereinigt in sich zwei für derartige "Werkzeuge" wichtige Eigenschaften: Flexibilität und Bruchfestigkeit.
Atypisches rundwipfeliges Exemplar von Fraxinus excelsior
Aus dem Urverbrechen erwächst also das Werkzeug für weiteren Mord und so heißt hè melia zugleich "Esche" als auch Lanze. Interessanterweise findet sich diese Synonymie auch im Gotischen, wo das Wort ask sowohl Speer und Esche aber auch Mann bedeutet. Denn die Götter des Nordens, die lichten Asen schufen die Menschen nicht aus der schweren dunklen Erde wie es Gottheiten des Orients und des Südens gerne taten, sondern aus dem leichten Holzelement, das sie den Bäumen entnahmen: Ask und Embla hieß das erste Paar und wurde aus dem Holz der Esche und der Ulme geformt. Auch wenn die Germanen eine Esche als Weltenbaum Yggdrasil (darin steckt das Epitheton für Wotan/Odin ygg = der Geweihte) nahmen, wird ihr irdisches Pendant längst nicht so alt wie die meisten europäischen Laubbäume. Sie schießt schnell nach oben, streckt sich ganz enorm und ist aber nach 200 Jahren meist am Ende. (zum Vgl. Linden und Eiben können über 1000, Buche, Ahorn, Eiche und Weißdorn gut 600 Jahre alt werden). Diese Beobachtung verknüpft mit der Tatsache, daß sich die Frucht der Esche schon sehr bald im Jahr ausprägt, kann beim Naturliebhaber Meditationen über prämature Formen und ihren weiteren Werdegang auslösen. Die Beschaffung ihrer Teedroge bereitet öfters Schwierigkeiten genauso wie sich in der neuesten Spezialliteratur keine Hinweise auf Tinkturen und Fluidextrakte finden. Man muß also, will man Esche einsetzen auf das altbewährte Fertigpräparat Phytodolor zurückgreifen. Doch spricht nichts dagegen, leidenden Menschen den Hinweis zu geben, sie können sich aus einem selbstgefertigten Spiritus Fraxini also dem Eschengeist, einem Auszug mittels hochprozentigen Alkohols aus Eschensamen, Linderung verschaffen. Dieses Heilmittel ist jedoch lediglich extern anzuwenden und der hochprozentige Geist entschwindet, wie es seine Art ist, unter Hinterlassung von Verdunstungskälte in die umgebende Luft.
3) Urtica dioica - Große Brennessel
Mit diesem Kraut haben wir eine sogenannte Stammpflanze vor uns, die eine eigene Familie innerhalb der Botanik gründet. In diesem Fall handelt es sich um die Urticaceae. Die nächsten Verwandten im Pflanzenreich sind allerdings nicht wie oftmals vermutet die Taubnessel, die ein Lippenblütler ist und mit der Brennessel nichts gemein hat außer gewissen äußeren Merkmalen der Blattform, sondern die selten gewordene Ulme und der Hanf die beide auch zur Ordnung der Urticales, den Brennesselartigen gehören.
Urtica dioica - Blühendes Kraut
Das Kraut der Brennessel, also Herba Urticae gehört wohl zu den absoluten Klassikern der wissenschaftlichen Phytotherapie als auch der Volksmedizin.
Es ist kein Geheimnis, daß man die jungen Triebe der Brennessel ohne Gefahr für eine intakte Mundschleimhaut gehackt in den Frühlingssalat hineingeben kann. So schreibt bereits der römische Naturforscher des 1. Jh. n.Chr. Plinius secundus der Ältere in seiner "Naturgeschichte," XXI Buch Kap. 93, über die Brennessel folgendes:
"Die Eigenschaft zu brennen entsteht aber nicht sogleich mit der Pflanze selbst, sondern erst wenn sie durch die Sonnenhitze Kraft erlangt hat. Sie dient sogar, wenn sie im Frühling zu wachsen beginnt, als nicht unangenehme, für viele auch geheiligte Speise, um das ganze Jahr hindurch Krankheiten zu vertreiben... Eine nicht brennende Art, die unschädlich ist, heißt Taubnessel..."
Vanessa io: Imago.: Nur wer eine Ecke für Brennesseln im Garten aufspart leistet einen Beitrag für die Rettung unserer Tagfalter! Hier Pfauenauge, dessen Raupen auf die Brennessel angewiesen sind.
Später, wenn das Kraut durchaus schon brennen kann, ist es der ideale Nährboden für die Raupen von Edelfaltern wie Kleiner Fuchs, Admiral und Tagpfauenauge! Deshalb sollte man Nesselansammlungen im Garten nicht ausmerzen sondern stehen lassen! Im übrigen kann man die Brennessel selbst als guten Dünger und biologisches Läusemittel verwenden und spart somit Gift im Garten. Folgendes, leider rein fiktives Warnhinweisschild wäre ehrlich und gäbe Auskunft darüber, was "Pflanzenschutzmittel" eigentlich sind:
Pflanzenschutzgebiet!
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verboten!!
Wie wir oben gesehen haben, sitzt also auch der frühe römische Gelehrte Plinius dem populären Irrtum der Nesselverwandtschaft auf. Aber er erkennt bereits die heilenden Tendenzen dieser brennenden Nessel. "Das ganze Jahr hindurch ..." damit meint er, die kurmäßige Einnahme im Frühjahr, in jener, für den Rheumatiker so sensiblen Jahreszeit, bewahrt den Disponierten das restliche Jahr über vor Beschwernissen. Es handelt sich hier also um eine prophylaktische Verabreichung. Will man sich nicht die Mühe machen, frische Pflanzen zu sammeln, um sie dann roh zu essen, kann man auch auf einen Frischpressaft (Kneipp oder Florabio) ausweichen, den man kurmäßig über mindestens vier Wochen einnehmen kann. Nach den alten Grundsätzen contraria contrariis curantur wurde wohl diese marsische Nessel in Zeiten der Humoralpathologie bei kalten Erkrankungen, wie den degenerativen Aspekten des Rheumas eingesetzt, schließlich ist die feuerhaltige Urtica im dritten Grade warm und trocken. Eben diese trockenen und brennenden Qualitäten machen sie zur Marspflanze. Jeder kann ein Liedchen davon singen, wie die Nessel brennt, denn jeder hat sich schon mal "in die Nesseln gesetzt" bzw. sie aus Versehen mit der bloßen Haut gestreift. Gleich bei der Berührung stellt sich ein heftiges Brennen ein gefolgt von jenen flüssigkeitsgefüllten, heftig geröteten namensgebenden "urticariellen" Bläschen auf der Haut. Verantwortlich dafür sind winzigkleine feine fragile Härchen. Sie sitzen auf und unter den Blättern, an den Blattstielen und auch am Stengel der reifen Pflanze. An ihrem Ursprung innerhalb des Pflanzengewebes befinden sich Nesselzellen. Bei der geringsten Berührung der Härchen brechen diese, wobei sie die Haut oberflächlich verletzen und den Inhalt der Zellen, Acetylcholin und Histamin in die Epidermis abgeben. Plinius beobachtet jedoch richtig, daß das Nesselgift nicht immer wirkt. Weder die junge noch die ganz alte Pflanze verfügt über ausreichend Nesselgift, um zu schaden. Doch nicht nur schädliche Substanzen beherbergt dieses Heilkraut. Sie beinhaltet Gerbstoffe, Kieselsäure, Mineralien, Phytosterin und Glykoside. Auch verfügt sie über geringe Mengen an Eisen, regt aber bei Einnahme die Ferrumresorption im Organismus an. Wie wir wissen, verfügt Urtica über haematokatarthische, haematopoetische, uragoge, diuretische, stoffwechselaktivierende Eigenschaften, sie regt die Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen über die Niere an und eignet sich deshalb besonders gut als Drainagemittel bei Ausleitungskuren mancherlei Art. Schließlich zieht sie organische Abfälle aller Art aus den Böden und liebt deshalb überdüngte und übersäuerte Wiesen. Und so kann sie auch dem übersäuerten, "überdüngten" (mit Eiweiß überernährten) Körper helfen, diese Substanzen auszuschwemmen. Hierfür eignet sich die Aufbereitung als Teedroge genauso gut wie ein Fluidextrakt oder eine Tinktur. Mit schwacher Dosierung erreicht man allerdings nichts und so empfehlen sich 30 - 40 gtt./dosi. Doch ein völlig neuer Aspekt ergibt sich aus Studien der Strathmann AG. Sowohl bei der entzündlichen als auch der degenerativen Form des Rheumas kommt es zu Fehlreaktionen des Immunsystems im Sinne einer Überreaktion. Proinflammatorische Zytokine und Interleukine unterhalten die Entzündung an den Synovien und begünstigen so den Abbau von Knorpelsubstanz. Nun zeigen in-vitro Versuche, daß ein bestimmter Brennesselextrakt IDS 23 (Rheuma-Hek) deren Freisetzung hemmt. Diese Studien ließen sich in einer breiten Anwendungsbeobachtung an 9000 Patienten bestätigen. Dabei ergaben sich bei sehr guter Verträglichkeit Therapieerfolge, die sich mit jenen beim Einsatz von NSAR vergleichen ließen. 1) Eine andere Studie 2) wiederum legte als meßbare Kriterien für die positive Wirksamkeit der Brennessel den Spiegel des C-reaktiven Proteins und klinische Kriterien, wie Bewegungseinschränkung und subjektiven Schmerz an. Es wurde an Patienten, die auf 200 mg Diclofenac/die eingestellt waren, nurmehr 50 mg Diclofenac plus 50 mg Brennesseldroge ausgegeben. Dabei besserten sich die subjektiv bewerteten Symptome der Patienten im gleichen Maße als die Titer C-reaktiven Proteins sanken. Man konnte also bei Besserung der Ausgangssituation die Dosis von NSAR deutlich senken. Natürlich, ist man schon versucht zu sagen, verdächtigen nun die Kliniker eine bestimmte Substanz für diese positive Wirkung verantwortlich zu sein: Kaffeoyläpfelsäure heißt das Kind und man ruft bereits nach Standardisierungen. Wir dürfen gespannt sein, was die Zukunft für diese Pflanze als Heilmittel bereithält... Traditionell ist ja die Brennessel als Bestandteil von Wässerchen gegen die Ausbreitung jener "Nacktkultur auf höchster Ebene", die vulgo Glatze genannt wird bekannt. Ebenfalls weiß man, daß das Kauen von 2 - 3 Eßlöffel getrockneter Brennesselsamen zur Vitalisierung älterer Männer beitragen kann. Hoffentlich wird sie dann, abgesehen von der Wurzeldroge bei BPH, den Heilpraktikern nicht nurmehr bei letztgenannten "Außenseiterindikationen" zur Verfügung stehen.
4) Harpagophytum procumbens
Auf jenen Pflanzenexkursionen die uns auch ins Gebirge führen, kommt immer der Punkt, da sich die erste Teufelskralle zeigt, meist eine kugelige, also Phyteuma orbiculare, und dann werde ich oft Zeuge des Ausrufes, "ach, das ist also diese vielzitierte Teufelskralle, die man bei Rheuma einsetzt." Und der Delinquent versucht mühsam den lateinischen Namen herzusagen "Haipagophytum procumbens" und groß ist die Enttäuschung jedesmal, wenn man dann korrigierend eingreifen und den wahren Sachverhalt erklären muß.
Phyteuma nigra - Schwarze Teufelskralle, eine beeindruckende Erscheinung aus der Familie der Campanulaceae (Glockenblumen) aber keine Heilpflanze.
Harpagophytum ist eine südafrikanische Pflanze und ein hochwirksames Antirheumaticum während unsere einheimischen Teufelskrallen nur der Signatur nach so heißen, mit ihr nicht verwandt sind und auch über keine bekannten Heilwirkungen verfügen. Jenes tropische Gewächs mit seinen bizarren Speicherwurzeln und seinen enterhakenförmigen überirdischen Ausläufern, die ihr den Namen verleihen ist mittlerweile aufgrund reger Sammeltätigkeit selten geworden und muß unter Schutz gestellt und in Kulturen angebaut werden will man a) das Überleben der Art sichern und b) den wachsenden Bedarf an Arznei auf dem Weltmarkt decken. Die Wurzeln beinhalten Bitterstoffglycoside aus der Gruppe der Iridoide, Phytosterine, ungesättigte Fettsäuren und freie Säuren. Als Indikationen gelten vor allem Schmerzzustände bei Weichteilrheumatismus, aber auch Arthrosen und Arthritiden, neuralgiforme Schmerzen und dyspeptische Beschwerden. Es kommt nicht selten zu Unverträglichkeiten seitens des Magens, da der Bitterwert der Droge bei 6000 liegt.3) In der Regel werden heute Fertigpräparate wie Arthrosetten (Brenner Befeka), Arthrotabs (Duopharm) oder Rheuma Sern (Serrürner) aber auch die D3 Ampullen der DHCT z.B. zur lokalen s.c. Applikation zur Anwendung gebracht.
5) Bryonia cretica - Zaunrübe
Vielleicht noch ein Wort zur Bryonia cretica, der Zaunrübe, die nur als homöopathisches Mittel zur Verfügung steht. Aus ihrer voluminösen, rübenförmigen Wurzel, die übrigens gerne als Ausgangsmaterial für Alraunenfälschungen herhalten mußte, wuchert eine dichte Ranke, die sich weit verzweigt und aufs üppigste wächst und gedeiht. Sie verkörpert ihren Namen aufs beste, der aus dem Griechischen stammt und sich von bryo = sprießen, wachsen herleitet. Pate stand jene Figur des Bryaktes der zunächst als Begleiter des Weingottes, dann nurmehr als Teilaspekt dessen Persönlichkeit im Epitheton Dionysos bryaktes weiterlebte. Also jenes Fruchtbarkeitsaspektes, der die Pflanzen, (Ranken, Reben) üppig wuchern läßt die man mit den autonomen Naturkräften in Verbindung brachte. Der Dionysos autophytes, der also die Pflanzen von alleine wachsen und wuchern läßt (automatos phytos), der sich nicht um Kultur und Anbau schert, sondern den Wildwachs fördert. Er scheint der geborene Feind des heute herrschenden Menschengeschlechtes fast weltweit zu sein! Dennoch erhofft man sich Heilung und Linderung durch Tiefpotenzen bzw. spagyrische Zubereitungen der Wurzeldroge bei jenen kalten Verlaufsformen des arthrotischen Rheumatismus die mit subakuten und chronischen Gelenkerkrankungen insbesondere der großen Gelenke der unteren Extremität einhergehen. Bewährt hat sich hier, wenn ich meinen Freund und Lehrmeister Josef Karl zitieren darf, eine Mischung aus den Urtincturen von Bryonia, Dulcamara und Salix bei einer Dosis von 3 x 20 gtt. p.c mit Flüssigkeit.
Noch auf drei pflanzliche Produkte sei hier am Ende, quasi als Ausblick, verwiesen: Sowohl die entzündungswidrigen, antioxydativen und durchblutungsfördernden Wirkaspekte von Grapefruitkernextrakten und Schwarzkümmelöl als auch die lmmunmodulation wie sie sowohl mit letzterem als auch mit Hilfe der homöopathischen Zubereitungen aus Weihrauchbaum, Boswelia spec. zu bewerkstelligen gelingt, lassen auf eine Erweiterung der Riege pflanzlicher Mittel bei Rheuma in absehbarer Zeit hoffen.
Anmerkungen:
1) Zeitschrift für Phytotherapie 3/98 S. 166.
2) Wülker, a.a.0.
3) Das heißt bei einer Verdünnung von 1 Tropfen Droge auf 6000 Tropfen Wasser macht sich noch ein bitterer Geschmack bemerkbar!
Literaturverzeichnis:
Aschner, Bernhard: Behandlung des Gelenkrheumatismus und verwandter Zustände, Stuttgart 21949.
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Weiss, Rudolf F. und Fintelmann V.: Lehrbuch der Phytotherapie, Stuttgart 8 `97.
Wülker, Andrea: Was geht mit "Phytos" in der Rheumatherapie? In: Zeitschrift für Phytotherapie 5/97 S. 261 ff.
Zizman, Peter A.: Pflanzliche Tinkturen und Extrakte... , Stuttgart 1996.
Anschrift des Verfassers:
Bernd Hertling
Heilpraktiker
Nettelkofener Straße 1
85567 Grafing
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Naturheilpraxis 11/98Therapeuten: | Praxis Dr.Hemm |
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