Buchweizen: Arzneipflanze 1999
von Heinrich Dapper
Diese Wahl hat der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen der Universität Würzburg getroffen, weil der Buchweizen bei Gefäßerkrankungen wirkungsvoll eingesetzt werden kann. So liegt es auf der Hand, dieses Kraut einmal hier vorzustellen.
Der Buchweizen (Fagopyrum) gehört, systematisch betrachtet, zur Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) und ist somit kein Getreide. Der merkwürdige deutsche Name soll deshalb entstanden sein, weil die Früchte dieser Pflanze mit ihrer dreieckigen Form an Bucheckern erinnern und deren Mehl im Geschmack und aufgrund dessen Verwendung dem Weizen ähnelt.
Unterschieden wird der Echte Buchweizen (F.esculentum) vom Tatarischen Buchweizen (f.tataricum). Beide sind einjährige Kräuter und werden angebaut.
Während der Echte Buchweizen 15 - 60 cm hoch wird, erreicht der Tatarische Buchweizen 30-75 cm Höhe. Beide entwickeln eine spindelförmige Pfahlwurzel. Der Sproß ist saftig, wenig ästig, kahl und hat eine rote bzw. grüne Färbung. Die aus den miteinander verwachsenen Nebenblättern gebildete Ochrea ist kurz, schief, gestutzt und unbewimpert. In wechselständiger Stellung befinden sich die herzpfeilförmigen Laubblätter. An den unteren Stengelpartien sind sie gestielt, die oberen fast sitzend.
Die Blüten, in lockeren Trauben angeordnet, sind bei F.esculentum weiß oder rötlich, bei F.tataricum grünlich. Sie duften stark und sondern reichlich Nektar ab. Deshalb werden sie von zahlreichen Insektenarten aufgesucht. Aus dem oberständigen Fruchtknoten entsteht die braune, glanzlose, dreiseitige und über die gesamte Länge mit scharfen ganzrandigen bzw. ausgeschweift gezähnten Kanten versehene Nußfrucht. Sie ist 5 - 6 mm lang und enthält einen weißen Kehlkörper, der zum Samen gehört.
Der Entwicklungsverlauf des Buchweizens ist durch eine relativ kurze Jugendzeit und eine lange Blühphase gekennzeichnet. So benötigt die Pflanze nur etwa vier Wochen von der Keimung bis zum Blühbeginn. Die Blütezeit im Sommer dauert aber sechs bis acht Wochen. Der Buchweizen reift deshalb sehr ungleichmäßig und spät im September. Auch besitzen die in den Früchten eingeschlossenen Samen keine ausgeprägte Keimruhe.
Das Genzentrum des Buchweizens liegt in den zentralen Gebirgsregionen und im Westen Chinas. Im mittleren Osten und. Zentralasien ist er seit ca. 4000 v.Chr. als Nutzpflanze bekannt. Nomaden brachten ihn schon früh in Richtung Westen. So fand dann der Anbau auch in den Steppengebieten nördlich des Schwarzen Meeres (in der heutigen Ukraine), in Thrakien (Bulgarien) und im Einflußbereich der Kelten statt. Es wird behauptet, daß hauptsächlich die Tataren den Buchweizen während des Mittelalters nach Europa brachten. Anhand zahlreicher archäologischer Funde ist aber bewiesen, daß er bereits in der Bronzezeit dort hingelangte und angebaut wurde.
Heute wird die Anbaufläche weltweit auf 4,5 Mill. ha geschätzt, wobei als wichtigste Länder das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, China, USA, Kanada, Brasilien, Australien und Japan genannt werden müssen. In Europa ist der Anbau rückläufig. Während es z.B. 1945 in Polen noch 133000 ha waren, war die Fläche 197O auf 83000 ha, 1994 sogar auf 28 000 ha gesunken. In Deutschland wird er in geringem Maße noch in der Lüneburger Heide und im Spreewald kultiviert. Das hat dem Buchweizen auch den Namen Heidekorn eingebracht.
Der Buchweizen ist an warme, kurze Sommer angepaßt. Wegen seiner Kälteempfindlichkeit kann er nur als Sommerfrucht angebaut werden. Die Aussaat darf erst Ende Mai bis Angang Juni erfolgen, weil für die Keimung genügend. Wärme erforderlich ist.
Sein weiteres Gedeihen ist stark witterungsabhängig. Deshalb ist er bei uns unsicherer im Ertrag als die übrigen angebauten Feldfrüchte. Die Böden sollen leicht, locker, sandig, warm und eher trocken als feucht sein. Der Buchweizen ist kalkmeidend und säurefest. Nährstoffarmut ist für ihn nicht störend. Er wächst gut auf Moor- und Heideböden sowie auf neu gerodeten Waldflächen.
Nach der Ernte werden die Nußfrüchte geschält. Dabei werden sie von ihren harten Schalen befreit. Dadurch wird der grünlich-braune Kern gewonnen. Dann werden sie zur weiteren Verarbeitung als ganzes Korn, fein oder grob gemahlen als Mehl oder Grütze oder auch als Flocken in den Handel gebracht. Buchweizenprodukte, aus dem Mehlkörper des Samens hergestellt, stellen eine wertvolle Nahrung seit altersher dar.
Das Kraut, insbesondere die Blätter, sind aufgrund des Rutingehaltes pharmazeutisch-medizinisch beachtenswert. Dieses Phänomen ist erst in neuerer Zeit bekannt geworden.
Der Buchweizen-Mehlkörper beinhaltet neben etwas fettem Öl bis 50 % Stärke und mit 11,7 % mehr Eiweiß als die meisten echten Getreidearten. Nur Hafer besitzt mehr. Die Aminosäuren-Zusammensetzung ist vergleichbar mit der der anderen Getreidearten.
Nur der Glutaminsäuregehalt ist um die Hälfte geringer. Interessant ist das Fehlen von Gluten, weshalb Buchweizenmehl nicht direkt zum Backen geeignet ist. Der Gehalt an Vitaminen ist beachtenswert. Das betrifft vor allem die Vitamine der B-Gruppe (B1 0,26 mg, B2 0,15 mg, Niacin 3,9 mg / 100 g). Von Mineralstoffen sind Kalium (3,24mg), Calcium (21 mg), Eisen (3,2 mg), Kupfer (1,06 mg), Zink, Bor, Jod, Nickel und Kobalt vertreten, aber auch Silicium und Phosphor. Außerdem werden organische Säuren (Zitronen- und Apfelsäure) angetroffen.
Buchweizen kann vielseitig in der Küche genutzt werden (Breie, Suppen, Aufläufe, Backwaren). Bekannt ist auch das russische Nationalgericht Blini. Alle Gerichte mit Buchweizen haben einen kräftigen, eigenwilligen Geschmack, an den man sich gewöhnen muß. Positiv zu werten ist das schnelle Garen des Buchweizens und das Fehlen des Glutens, das alle, die mit einer angeborenen Unverträglichkeit gegen andere Getreidearten belastet sind, begrüßen dürften.
Das blühende Kraut enthält 1 - höchstens 8 % des Flavonglykosids Rutin (früher Vitamin P). Diese beachtliche Schwankung ist von der Pflanzenentwicklung und von den Standortsverhältnissen abhängig. Am höchsten ist der Gehalt in der Blühphase.
In der Volksmedizin wird aus dem Kraut ein Tee hergestellt, der durch 2 – 3 minütiges Kochen gewonnen wird. Als Tagesmenge werden 2 - 3 Tassen voll empfohlen bei Blutgefäßschwäche. Nach Phillips/Foy (1900) soll ein Aufguß der Blätter bei Wundrose helfen und als Umschlag, vermischt mit Buttermilch, zur Behandlung der Brust bei stillenden Müttern dienen. Ody (1904) empfiehlt Buchweizen bei Netzhautblutungen.
Die Pharmaindustrie nutzt das Rutin als Rohstoff für die Produktion von Medikamenten.
Als Indikationen sind vor allem Gefäßerkrankungen (Arteriosklerose, Hämorrhoiden, Venenschwäche) zu nennen, weil Rutin die Permeabilität der Kapillaren herabzusetzen vermag.
aus: berliner heilpraktiker nachrichten