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Der Tee - ein überholtes Arzneimittel?

von Dieter Fendt

Um es gleich vorweg zu sagen: ich werde den zunächst noch geneigten Leser nicht mit längst bekannten Tee-Rezepturen, die er bereits wiederholt gehört oder gelesen hat und die als "Geheimtip" bisweilen wiedergekäut werden, langweilen. Wer sich dafür interessiert, der sollte die hervorragende Originalliteratur von Rudolf F. Weiß "Lehrbuch der Phytotherapie", von Josef Karl "Therapiekonzepte für Naturheilkunde" oder Günther Lindemann "Teerezepte" studieren, die allesamt aus der Praxis für die Praxis bewährte Teemischungen komponiert und die Sinnhaftigkeit der Zusammensetzung ausführlich dargestellt und begründet haben (Übrigens ein Vorgang, der aus dem Nachzulassungsverfahren seit der 5. AMG-Novelle bestens bekannt ist). Eine Lektüre dieser Bücher ist noch immer ein großer Gewinn.

Mein Ziel hingegen ist, den arzneimittelrechtlichen Aspekten nachzuforschen,

in welchem Umfang altbewährte Teedrogen und Teemischungen auch der neueren Forschung standhalten oder durch diese bestätigt werden, ob Teerezepturen noch als adäquate Arzneimittel anzusehen sind, welche Pflanzen oder -drogen auch heute noch arzneimittelrechtlich für Tees anerkannt sind, ob und welche pflanzlichen Teemischungen Eingang gefunden haben in moderne Arzneibücher und Pharmakopoen.

 

1) Der Tee und die Forschung

Der arzneilich wirksame Tee ist sicherlich eine der ältesten Arzneiformen, oder sollte man sagen die älteste galenische Zubereitung eines Arzneistoffes? Über viele Jahrhunderte ist der Gebrauch von Tees oder Teemischungen überliefert. Nicht selten war er der Ausgangspunkt von Entdeckungen bzw. Entwicklungen der modernen Arzneimittel.

Sehr schön und interessant ist dieser Erkenntnis- und Lernprozess nachzulesen in dem Büchlein "Bericht über den Fingerhut und seine medizinische Anwendung mit praktischen Bemerkungen über Wassersucht und andere Krankheiten" vom englischen Arzt William Withering aus dem Jahre 1785. 10 Jahre zuvor war er mit dem Geheimrezept einer Teemischung von einer alten Frau gegen Wassersucht konfrontiert worden, mit dem auch dann noch Heilung erzielt worden sei, wenn Ärzte nichts mehr ausrichten konnten. Withering experimentierte vor allem mit dem in seinen Augen wirksamsten Kraut der Mischung, dem Fingerhut, wobei er durch vorsichtige Dosierung die wie man heute sagen würde erheblichen Nebenwirkungen wie kräftiges Erbrechen und Abführen reduzieren konnte. Nachdem auch ein ärztlicher Freund durch einen "Quacksalber" (der nicht unähnlich dem Heilpraktiker heilen konnten, ohne dass die Schulmedizin dies kausal erklären konnten) von Wassersucht geheilt worden war, untersuchte er bereits damals sogar die Unterschiede in der Therapie einerseits durch die Wurzel des Fingerhutes mittels Dekoktes und andererseits der Blätter in Form eines Infus. Im Vordergrund stand damals die diuretische Wirkung, der kausale Zusammenhang durch die herzwirksamen Glykoside und Cardenolide auf das Herz war noch unbekannt. Erst 100 Jahre später erkannte der Physiologe Rudolf Böhm bei Experimenten am Froschherzen, dass es sich bei Digitalis um einen direkten Effekt am Herzmuskel handelt. Ein derartig unvoreingenommenes Forschen, also Wissenschaft im eigentlichen Sinne, können wir uns heute nur wünschen. In der Vorrede des Buches schreibt Withering: "Der Gebrauch des Fingerhutes breitet sich immer mehr aus, und es ist besser, die Welt erhält eine, wenn auch unvollkommene Anleitung auf Grund meiner Erfahrungen, als dass Menschenleben infolge unrichtiger Anwendung aufs Spiel gesetzt werden, oder eine Medizin von größter Wirksamkeit als gefährlich und unbrauchbar getadelt und abgelehnt wird".

225 Jahre später können wir bei Luckner/Wichtl im Buch "Digitalis" bewundernd feststellen, wie mit modernsten Methoden und Analyseverfahren beim Fingerhut nahezu alle wichtigen Geheimnisse aufgespürt worden sind, ohne jedoch sicher zu sein, dass wir nicht doch in Kürze mit neueren Erkenntnissen umdenken müssen. Wenn auch aufgrund der geringen therapeutischen Breite und der notwendigen exakten Dosierung nicht mehr als Tee, so ist die Digitalis als Arzneipflanze mitsamt ihren Indikationen heute unverzichtbar in der Therapie des Herzens und seiner Symptome geworden.

 

2) Der Tee - ein wirksames Arzneimittel?

Ein in meinen Augen ähnlich genialer Arzt und Forscher war Gerhard Madaus, dem wir das noch immer interessante und grundlegende Werk "Lehrbuch der biologischen Heilmittel" in drei Bänden verdanken. Bereits Mitte der dreißiger Jahre widmete er ein großes Kapitel dem Thema: "Schädigung von Heilpflanzen bei der Verarbeitung zum Heilmittel". Darin geht er von folgender Prämisse aus: "Der Grundsatz bei der Zubereitung (von Heilmitteln: Anmerk. d. Verf.) muss sein, alle Wirkstoffe und auch die Stoffe, deren Wirksamkeit bis heute noch nicht bekannt ist, in ihrem natürlichen Mischungsverhältnis zu erhalten"; eine Ansicht, die auch heute noch pharmakologisch und therapeutisch gut begründet vertreten wird (vgl. Volker Koch: "Phytotherapie - (k)eine besonere Therapierichtung?, Hufeland-Journal 4/1994), von der sich die "moderne" Auffassung der sog "rationalen" Phytotherapie deutlich entfernt hat, die gerne das Wortteil Therapie durch Phamakologie ersetzt.

Tabelle 1: Verluste, die bei Tee-Abkochungen eintreten: Die Inhalts-Stoffe in Fettdruck werden durch (heißes) Wasser gelöst und gehen vollständig oder zum größten Teil in den Tee über. Die Wirkstoffe in Kursivschrift hingegen sind weitgehend in Wasser unlöslich oder werden zerstört. Quelle: Madaus Gerhard, Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Bd.1, Olms Verlag

Madaus untersuchte sorgfältig, welche Verluste an Inhaltsstoffen bei folgenden Darreichungsformen eintreten: Tee-Abkochung, Tinkturen-Herstellung, Extrakt-Herstellung und Frischpflanzenverreibung. Die Erkenntnisse bei der Tee-Abkochung sind in Tabelle 1 schematisch dargestellt, wobei die in Fettschrift gedruckten Stoffe zum aller größten Teil wasserlöslich sind, in den Tee übergehen und dort erhalten bleiben und damit therapeutisch zur Verfügung stehen. Madaus differenzierte dabei bereits einzelne Glykoside, Gerbstoffe und andere Inhaltsstoffe auf ihre unterschiedliche Wasserlöslichkeit.

50 Jahre später werden diese Erkenntnisse durch Prof. Schilcher für die therapeutisch wichtigsten Wirkstoffgruppen vollinhaltlich bestätigt: Ätherischöldrogen, Bitterstoffdrogen (Amara), Gerbstoffdrogen, Flavonoiddrogen, Anthraglykosiddrogen und Saponindrogen sind gut wasserlöslich und damit in der Regel mit (heißem) Wasser extrahierbar.

 

3) Der Tee und die moderne Pharmakologie

Damit beantwortet sich mehr oder weniger automatisch die Frage nach der optimalen Zubereitung eines Tees von selbst. Am besten eignen sich, auch von der Handhabung durch den Patienten her, die Infusa (Aufgüsse), wobei die Droge mit kochendem Wasser übergossen wird und der Tee ohne weiteres Aufkochen nach 5 Minuten ziehen abgeseiht wird. Lediglich bei einigen Gerbstoffdrogen oder vor allem Schleimdrogen sind als Zubereitungsart Decocta (Abkochungen) oder Mazerationen erforderlich, um die erwünschten Inhaltsstoffe auch zu lösen.

Von besondere Bedeutung für die Qualität ist auch, wie sich durch moderne Analysemethoden nachweisen lässt, der Zerkleinerungsgrad der Droge. Als Faustregel gilt:

tabelle2

Leider hat die Phamakologie in neuerer Zeit dem Tee nicht all zu viel Forschungsinteresse gewidmet, da er auf der einen Seite als Arzneimittel nicht mehr so ernst genommen wird, auf der anderer Seite nicht mehr als "elegante" galenische Zubereitung mit großer Patienten-Compliance gilt und darüber hinaus als kostengünstiges Arzneimittel wirtschaftlich nicht von großem Interesse ist. Dass er nicht mehr ernst genommen wird zeigt sich z.B. bei einem Blick in das Standardwerk vom Ernst Mutschler "Arzneimittelwirkungen", in dem in einem Sachregister von mehr als 100 Seiten! das Wort Tee gar nicht mehr aufgeführt ist. Auch auf einer Übersicht im selben Buch über die verschiedenen Arzneiformen mit ihren Applikationsorten und Applikationsarten fehlt der Tee vollständig.

Um so interessanter sind zwei Veröffentlichungen, die aus völlig unterschiedlichen Richtungen kommend, wichtige Aspekte der Teedrogen und der Darreichungsform Tee unter neuesten Erkenntnissen darstellen. Es handelt sich zum einen um das hervorragende Buch "Teedrogen" von Max Wichtl, das in seiner ausführlichen Beschreibung von Teedrogen mitsamt der wunderbaren Bebilderung seinesgleichen sucht.

Zum anderen handelt es sich um einen Artikel von Odette Klensch und Astrid Nagel "Die Darreichungsform Tee am Beispiel Weißdornblätter mit Blüten" DAZ 32/1994, auf den ich nachfolgend kurz eingehen möchte. Hintergrund dieser Untersuchungen Anfang der 90er Jahre war der Umstand, dass die Kommission E, die bis dahin rund 300 Monographien von Drogen erstellt hatte, bei denen zur Dosierung und Art der Anwendung meist stand: "X gr. Droge sowie deren Zubereitung bzw. Zubereitung entsprechend", zunehmend gültige und positiv beurteilte Aufbereitungsmonographie überarbeitete und dabei vermehrt Anwendungsgebiete dieser Monographien reduzierte und auf konkrete Extraktzubereitungen einschränkte. Begonnen worden war mit Rosskastaniensamen und Weißdornblätter mit Blüten. Eine Fortführung einer derartigen "Überarbeitung" hätte bedeutet, dass das gesamte zusammengetragene wissenschaftliche Erkenntnismaterial und die seit jeher traditionelle Anwendung der Pflanze als Teezubereitung vollständig entfallen wäre, wogegen sich im März 1994 auch die AMK der Deutschen Heilpraktiker mit einer detaillierten Stellungnahme gewandt hatte. Bei Fortführung dieser Überarbeitungen hätte dies auch zu tiefgreifenden Konsequenzen sowohl für die Nachzulassung als auch für die Nutzung der publizierten Standardzulassungen geführt. Manch einer mag damals unter diesem Gesichtspunkt die 5. AMG-Novelle begrüßt haben, wodurch die Arbeit der Aufbereitungskommissionen beendet wurde. Vor diesem Hintergrund waren die Untersuchungen zur Darreichungsform Tee am Beispiel von Weißdorn ausgesprochen bedeutsam: Es konnte experimentell und analytisch nachgewiesen werden, dass die Flavonoide (berechnet als Hyperosid) als bekannte wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe bei der Herstellung eines Teeaufgusses derartige Übergangsraten von der Droge in den Tee aufwiesen, dass die Dosierungsvorschriften sowohl der alten als auch der überarbeiteten Monographie vollständig erreicht wurden. Einzelheiten hierzu können nachgelesen werden in der Naturheilpraxis 1/99.

 

4) Der Tee - Einzeldroge oder Mischung?

Bei der Frage, ob ein Arzneitee aus einer Pflanze oder einer Rezeptur aus mehreren Drogen bestehen sollte, prallen diametrale Ansichten aufeinander, die beide ihre Berechtigung haben, und nicht endgültig entschieden werden können. Wichtig erscheint nur der Hinweis, der von Weiß über Karl bis zu Lindemann und Wichtl immer zu lesen ist, dass eine Teemischung

  • nicht aus zu vielen Pflanzendrogen bestehen sollte,
  • keine willkürliche Mischung von Drogen, sondern ein nach strengen Regeln aufgebautes Rezept ist,
  • immer eine "Komposition" aus wirksamen Bestandteilen: einem oder mehreren Grund- oder Hauptmitteln (Remedium Cardinale) und einem unterstützenden Mittel (Adjuvans) sowie gegebenenfalls aus sonstigen Bestandteilen: Ergänzungs- oder Hilfsmitteln (Korrigens) und Füllmittel (Konstituens) ist,
  • den Aspekt von synergistischen Wirkungen und Wirkungsrichtungen in sich trägt.

    Interessanterweise gibt es zu der Frage nach der möglichen Menge der arzneilich wirksamen Inhaltsstoffe und deren jeweiligen Einzeldosierung keine verbindliche Vorschriften. Sie lässt sich aber implizit ableiten aus Empfehlungen der Kommission E und den Vorgaben für die Standardzulassung, die später detaillierter dargestellt werden. Danach sollte kein arzneilich wirksamer Inhaltsstoff mit weniger als 10 Teilen von 100 Teilen in einer Mischung enthalten sein; auch wurde ins Gespräch gebracht, dass mindestens 10 % der mittleren Tagesdosis der Monographievorgaben erreicht werden sollte. Wie eine Bewertung durch die Zulassungsbehörden aussehen wird ist noch immer unbekannt, da nach meiner Kenntnis noch keine einzige umfangreichere Teemischung eine Zulassung oder Nachzulassung erhalten hat.

    Auf die Art der Zubereitung war bereits oben eingegangen worden; die Möglichkeiten einer Arzneimittelzulassung werden im Folgenden dargestellt.

     

    5) Der Tee - eine überholte Darreichungsform?

    Zu der Applikation eines Tees sowie zu den Indikationen und Therapiemöglichkeiten zwei Aspekte:

    Ein nicht zu vernachlässigender Gesichtspunkt ist, dass im Vergleich mit festen Arzneiformen die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe bei der Darreichungsform "Tee" sofort nach der Bereitung des Teeaufgusses verfügbar sind, während sie bei den festen Arzneiformen erst freigesetzt werden müssen. Die Arzneiform Tee oder Teeaufguss kann sicherlich mit einer flüssigen Darreichungsform (Tropfen) direkt verglichen werden, da in beiden Fällen der Wirkstoff in gelöster Form vorliegt und sofort verfügbar ist. Nach Klensch/Nagel kann ein Tee jedoch Vorteile gegenüber einer flüssigen Darreichungsform haben, da die Inhaltsstoffe in der Droge geschützt keiner Zersetzung unterliegen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass die Gehaltsabnahmen im Zeitverlauf relativ gering sind (trifft für ätherisch Öldrogen nur eingeschränkt zu). Auch bestehen keine Abbau- oder Umsetzungsprodukte der verschiedenen Inhaltsstoffe untereinander, da der Tee erst unmittelbar vor Einnahme zubereitet wird. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Übergangsraten der Wirkstoffe in das Wasser ist der Tee eigentlich ein hochmodernes Arzneimittel, sowohl was den Gehalt an Inhaltsstoffen als auch was die Verfügbarkeit angeht.

    Als wichtigste Indikationsbereiche werden für Tees bei Wichtl ("Teedrogen") genannt:

  • Störungen im Magen-Darmbereich
  • Gallenwegserkrankungen
  • Psychische Störungen
  • Husten und Erkältungskrankheiten
  • Nieren- und Blasenleiden

    Dieser Idee folgend hat der Gesetzgeber für Tees dieser Indikationen auch in Form der Standardzulassung erleichterte Zulassungsbedingungen geschaffen.

    Darüber hinaus könnten nach Wichtl Tees auch bei folgenden Erkrankungen als Arzneimittel eingesetzt werden: Dermatika, Lebertherapeutika, Koronarmittel, durchblutungsfördernde Mittel. Für einen Heilpraktiker, der nicht nur Organ- oder Krankheitsbezogen arbeitet, sondern den gesamten Menschen ganzheitlich therapiert ist diese Auflistung sicherlich richtig, aber nicht vollständig.

     

    6) Der Tee - ein Lebensmittel?

    Da mancher Therapeut sich schon nach der Rezeptur eines Tees im Nachhinein mit der Krankenkasse um die Erstattung streiten und sich mit dem "Argument", es handele sich ja nur um Drogen, die auch in der Küche Verwendung finden würden auseinandersetzten musste, ein kleiner Exkurs in den Lebensmittelbereich.

    Wenn Pflanzen oder deren Teile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand dazu bestimmt sind (und auch dazu von Heilpraktiker eingesetzt werden), Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, dann sind diese definitionsgemäß Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr.1 i.V.m. § 3 Nr.2 AMG.

    Abzugrenzen davon sind einige, in der Zahl und der Art der Zubereitung eng begrenzte Drogen, die als Teezubereitung zu Genusszwecken verzehrt werden und deshalb auch als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden dürfen. Die Leitsätze über Tee und teeähnliche Erzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches definieren als Tee zunächst nur Pflanzenteile von Camellia sinensis und als teeähnliche Erzeugnisse Pflanzenteile, die nicht von Camellia sinensis stammen und die dazu bestimmt sind, in der Art wie Tee verwendet zu werden. (vgl. Gaedke/Steinhoff "Phytopharmaka").

    Die Leitsätze enthalten kurzgefasste Qualitätsangaben zu Fencheltee, Kamillentee, Eisenkrauttee, Orangenblättertee, Lindenblütentee, Hagebuttentee, Hibiskusblütentee, Krauseminzetee, Pfefferminztee, Mate- oder Paraguayatee. Darüber hinaus werden bestimmte Stoffe für die Herstellung von Tee-Extrakten zugelassen.

    Wesentlich für die rechtliche Einstufung als Arznei- oder Lebensmittel ist auch hier die objektive Zweckbestimmung sowie die allgemeine Verkehrsauffassung, die u.a. abhängig ist von der Zusammensetzung, der Form der Darbietung, der Aufmachung des Produktes und der Dosierung.

     

    7) Der Tee - als Arzneimittel!

    Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang das Wissen und die Erkenntnisse über Pflanzen, insbesondere als Arzneimittel in Teeform, in moderne Arzneimittelwerke, Literatur und Pharmakopoen Eingang gefunden haben und heute anerkannt sind.

    Monographien der Kommission E

    Auch wenn die Nachzulassung der fiktiv zugelassenen und seit Jahrzehnten bewährten Arzneimittel einer unendlichen Geschichte gleicht (erwartet wird allerdings ein weniger guter Ausgang als im gleichnamigen Buch!), so wurde dadurch in den Jahren 1980 bis 1995 mit großer Akribie und Intensität das in der gesamten Literatur über Arzneipflanzen verfügbare Wissen durch die Aufbereitungs-Kommission zusammengetragen, bewertet und veröffentlicht und stellt noch immer den umfassendsten, aktuellen Kenntnisstand dar. Die Kommission E, die die Phytotherapie zu bearbeiteten hatte, erstellte rd. 350 Monographien, von denen 186 unter Berücksichtigung aller aktuellen pharmakologischen und therapeutischen Aspekten positiv beurteilt wurden. Hinzu kommen noch positive Stoffcharakteristiken sowie positiv bewertete Kombinationen für Pflanzen und Pflanzenteile. Nicht zuletzt solch erfahrenen Praktikern wie Prof. Volker Fintelmann oder Josef Karl ist für diese Arbeit sehr zu danken.

    In vielen dieser Monographien ist unter Dosierung und Art der Anwendung explizit der Tee als Darreichungsform für das pflanzliche Arzneimittel mit aufgenommen, wie folgendes Beispiel exemplarisch zeigt:

     

     

Monographie der Kommission E für Baldrianwurzel (Auszug)

 

Valerianae radix, Baldrianwurzel
Dosierung:
Soweit nicht anders verordnet:
Infus:
2-3 g Droge pro Tasse
1-bis mehrmals täglich
Tinktur:
1/2 -1 Teelöffel voll (1-3ml) 1-mehrmals täglich
Extrakte:
entsprechend 2-3 g Droge 1-mehrmals täglich
Art der Anwendung:
Innerlich:
als Pflanzenpresssaft, Tinktur, Extrakte und andere galenische Zubereitungen
Äußerlich:
als Badezusatz

Eine sehr lesenswerte Zusammenstellung mit Erläuterungen findet sich in dem Buch "Phytotherapie Manual" von Fintelmann, Menßen, Siegers, in dem alle positiv bewerteten Monographien zusammengestellt sind. Interessant ist dabei auch bei jeder Monographie eine Rubrik "Kombinationen", unter der andere Pflanzen genannt werden, mit denen eine Kombination sinnvoll erscheint; außerdem sind Hinweise auf Handelspräparate enthalten.

 

Standardzulassung nach § 36 AMG

Eine weitere Anerkennung des Tees als Arzneiform ist im Rahmen der Standardzulassungen gegeben und dokumentiert. Aufgrund des neuen Arzneimittel-Gesetzes benötigen seit 1978 alle Fertigarzneimittel in Deutschland eine Zulassung. Da hiervon nur wenige, meist rezepturmäßig in begrenztem Umfange hergestellte Arzneimittel ausgenommen sind, hätte dies zur Folge gehabt, dass zahlreiche gleichartige oder sogar identische Arzneimittel einer jeweils separaten Zulassung bedurft hätten. Der Gesetzgeber hat deshalb mittels der Standardzulassung nach § 36 AMG einen Ausweg geschaffen, wonach auf dem Verordnungswege die hierfür geeigneten Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen oder Arzneimittel in bestimmten Abgabeformen nach Anhörung einer Sachverständigen-Kommission (der auch Heilpraktiker angehören) von der Pflicht zur Zulassung freigestellt und veröffentlicht werden, in denen dann verbindlich sämtliche Merkmale des Arzneimittels inklusive Kennzeichnung enthalten sind. Voraussetzung ist, dass die Gesundheit von Mensch oder Tier nicht gefährdet wird, weil die erforderlichen Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gegeben sind. Die Freistellung kann z.B. von bestimmten Darreichungsformen abhängig gemacht sowie auf bestimmte Anwendungsarten, Anwendungsgebiete oder Anwendungsbereiche beschränkt werden. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, dass Pharmazeutische Unternehmer und Apotheken Drogen sowie Tees und Teemischungen als Fertigarzneimittel herstellen und vertreiben können, ohne ein langwieriges und teures Zulassungsverfahren durchlaufen zu müssen. Es müssen lediglich die Vorgaben dieser Standardzulassung exakt eingehalten und den Behörden angezeigt werden.

Tabelle 2: Standardzulassung: Magen- und Darmtee II bis XII Zusammensetzung: A. Wirksame Bestandteile (in Masseprozent)

TABELLE

B. Sonstige Bestandteile: Baldrianwurzel - Melissenblätter - Kornblumenblüten - Ringelblumenblüten- Malvenblüten - Zimtrinde Die wirksamen Bestandteile A müssen insgesamt mindestens 70 Masseprozente der jeweiligen Teemischung ergeben. Die sonstigen Bestandteile müssen - sofern solche verwendet werden - aus der Gruppe B ausgewählt werden. Sie dürfen pro Bestandteil nicht mehr als 5 Masseprozente der jeweiligen Teemischung betragen. Zulassungsnummern: 2029.88.99 bis 2029.98.99

Dass auf diese Art sehr sinnvolle, wirksame und gut schmeckende Teemischungen zusammengestellt werden können, zeigt die Tabelle 2. Danach können z.B. für einen Magen- und Darmtee aus 9 verschiedenen Bestandteilen insgesamt 11 verschiedene Mischungen und diese noch mit unterschiedlichen Mischungsverhältnissen, zusammengestellt werden; diese Rezeptur kann je nach Geschmack mit bis zu weiteren 6 Korrigenzien versetzt werden. Vorgesehen sind zur individuellen Variation: Beruhigungstee II-VIII, Blasen- und Nierentee II-VII, Erkältungstee II-V, Husten- und Bronchialtee I -II, Magentee II-VI, Magen- und Darmtee II-XII, sowie eine Menge konstanter Teerezepturen und Tees mit nur einem Inhaltsstoff. Diese Standardzulassungen sind sinnvoll und werden gerne genutzt: so entspricht z.B. der Majocarmin-Tee von Hevert dem Magen- und Darmtee Nr. 8, wobei auf nicht arzneiliche Füllstoffe verzichtet wurde. Auch der von mir sehr geschätzte Cholosom-Tee derselben Firma, entspricht einer Standardzulassung, die es letztlich den Firmen auf diesem Wege ermöglicht, ohne allzu große Kosten für eine Zulassung ein breites Sortiment an Arzneitees anbieten zu können.

 

Zulassungen gemäß § 21 ff und § 105 AMG

Natürlich kann auch für einen Tee eine normale Zulassung beantragt und erworben werden. Auf ähnlicher arzneimittelrechtlicher Basis existieren derzeit noch viele Tee-Spezialitäten als fiktive zugelassene Arzneimittel, die bereits seit mindestens 1978 in Handel sind und sich derzeit noch immer im Nachzulassungsverfahren befinden. Das Problem ist jedoch, dass die Zulassungsbehörde bisher, d.h. seit Beginn der Nachzulassung 1990, noch kein einziges derartiges phytotherapeutisches Teearzneimittel mit einer etwas umfangreicheren Mischung bewertet hat und daher niemand genau weiß, wie die Dosierung der einzelnen Pflanzen in der gesamten Rezeptur beurteilt werden.

 

Arzneibücher und Pharmakopoen

Aber auch in offiziellen Pharmakopoen und Arzneibüchern sind die Tees als Arzneimittel anerkannt und fest verankert.

Im Deutsche Arzneibuch (DAB 6) sind unter dem Stichwort "Species - Teegemische" Teemischung definiert und in Abhängigkeit ob als Aufgüsse, Abkochungen oder Kräutersäckchen verwendet, die entsprechenden Schnittgrößen der Pflanzenteile beschrieben. Genannt werden 7 Mischungen, von denen zwei beispielhaft dargestellt werden:

 

Species diureticae = Harntreibender Tee (DAB 6)

 

Zu bereiten aus je 1 Teil:
Grob zerschnittener Liebstöckelwurzel
Grob zerschnittener Hauhechelwurzel 1
Grob zerschnittenem Süßholz
Zerstoßenen Wacholderbeeren

 

oder

Species pectorales = Brusttee (DAB 6)

Zu bereiten aus:

Grob zerschnittener Eibischwurzel - 8 Teile
Grob zerschnittenem Süßholz - 3 Teile
Grob zerschnittener Veilchenwurzel - 1 Teil
Grob zerschnittenen Huflattichblättern - 4 Teile
Grob zerschnittenen Wollblumen - 2 Teile
Zerquetschtem Anis - 2 Teile

 

So finden sich z.B. auch im Österreichischen Arzneibuch ÖAB Angaben für Teemischungen mit spezifischen Indikationen:

Species amaricantes = Bittertee (ÖAB)

 

20 Teile Wermutkraut
20 Teile Tausendgültkraut
20 Teile Pomeranzenschale
10 Teile Fieberkleeblätter
10 Teile Kalamuswurzelstock
10 Teile Enzianwurzel
10 Teile Zimtrinde

 

oder:

Species carminativae = Windtreibender Tee (ÖAB)

 

25 Teile Pfefferminzblätter
25 Teile Kamillenblüten
25 Teile Kalamuswurzelstock
25 Teile Kümmel (zerstoßen)

 

Ähnliche Empfehlungen existieren auch in der Pharmacopoea Helvetica (Ph.Helv.), wie nachfolgendes Beispiel belegt:

Species sedativae = Beruhigungstee (Ph.Helv.)

 

10 Teile Melissenblätter
10 Teile Pfefferminzblätter
25 Teile Baldrianwurzel
20 Teile Orangenblüten
15 Teile Anis
20 Teile Passionsblumenkraut

 

Europa - ESCOP

Nicht zuletzt im Europäischen Bereich hat die Anerkennung der Phytopharmaka und damit auch der Teezubereitungen Fortschritte gemacht. Eine wichtige Quelle sind dabei die Monographien der European Scientific Cooperative on Phyotherapy (ESCOP), einer Dachorganisation aus nationalen Fachgesellschaften mit dem Ziel, harmonisierte Bewertungskriterien für Phytopharmaka in Europa zu schaffen. Seit 1996 wurden bis Oktober 1999 in 6 Bänden insgesamt 60 Monographien veröffentlicht. Als Beispiel mag ein Auszug aus einer Monographie dienen:

ESCOP- Monographie für Birkenblätter (Auszug)
Betulae folium, Birch Leaf

Dosage:
- An infus of 2-3 g dried material two to three times per day; preparatione accordingly.
- Tincture (1:10): 2ml three times daily
- Fresh juice: 15 ml three times daily

 

Weltweit - WHO

Teile dieser ESCOP-Monographien wurden letztlich erweitert zu WHO-Monographien für Arzneidrogen, von denen bereits 1996 und 1999 jeweils eine Serie veröffentlicht wurden. Auch dadurch ist der Tee ein weltweit anerkanntes Arzneimittel und in seiner Darreichungsform festgeschrieben und bestätigt.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dieter Fendt
Heilpraktiker
Tulpenstr. 8
82272 Moorenweis

 


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